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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Rücksicht, auch wenn er in dem oder jenem Fall die Unterordnung nicht für beßer erkennt als den eigenen Weg und Willen; der aber gehorcht, öffnet sein Inneres für die Stimme deßen, dem er gehorcht, er geht mit seinen Gedanken und mit seinem Willen auf das ein, was er vom andern hört, er fügt sich nicht blos äußerlich, er fügt sich auch innerlich. Beide Worte sind vortrefflich gewählt für die Personen, an welche der heilige Paulus redet: Die Frauen ordnen sich unter und fügen sich, die Kinder gehorchen; bei jenen zeigt sich der Gehorsam der Erwachsenen, bei diesen der Gehorsam der Unmündigen. Beide Ermahnungen schließen sich auch auf das schönste an einander an, an die Unterordnung der Frauen der Gehorsam der Kinder. Zwar sollen die Kinder auch den Müttern gehorchen; da ihre Mütter sich aber selbst wieder den Hausvätern unterordnen sollen, so erscheinen sie als Vorgängerinnen der Kinder im Gehorsam; das fromme, unterthänige Eheweib ist nicht blos Vorbild, sondern auch Anführerin und Lehrerin ihrer Kinder im Gehorsam. In diesem apostolischen Zusammenschluß der Mütter und Kinder zu einer gehorsamen Schaar liegt große Weisheit. Wenn in einem Hause die Kinder nicht gehorchen, so trägt ein widerspenstiges, mürrisches, ungehorsames Weib davon oftmals die Schuld. Die Kinder sehen den täglichen Ungehorsam ihrer Anführerin und Mutter; was Wunder, wenn sie ihr nachahmen? Ein unterthäniges Weib gewinnt nicht allein das Herz des Mannes für sich, sondern auch die Herzen der Kinder für den Vater. Sie ist nicht der Gipfel des Familienlebens, aber sie ist der rechte lebendige Mittelpunkt, von dem aus die Strömung des häuslichen Friedens und Unfriedens nicht blos abwärts auf die Kinder, sondern auch aufwärts auf den Hausherrn geht. – Merkwürdig ist es, meine lieben Brüder, daß wir bei den Kindern und bei den Sklaven rücksichtlich des Gehorsams einen und denselben apostolischen Beisatz finden. Es heißt nemlich: „Gehorchet euren Eltern in allen Dingen“; ebenso heißt es im 22. Verse: „Ihr Sklaven, gehorchet euren leiblichen Herren in allen Dingen.“ Während aber in den drei großen Parallelstellen vom Gehorsam der Frauen, nemlich in unsrer Textesstelle, Eph. 5, 22–24 und 1. Petri 3, 1 immer ein und dasselbe Wort, nemlich „Unterordnung, Unterthänigkeit“ gebraucht wird; so findet sich der Zusatz „in allem“ bei keiner von den drei Stellen, als in der aus dem Epheserbriefe, und auch hier nur, nachdem der Mann zu Christi Bild, das Weib aber zum Bilde der Gemeinde erklärt und eben damit der Unterordnung ihre volle Schönheit und Heiligkeit zugeschrieben ist. Wenn nun gleich eine einzige Stelle der Schrift hinreicht, eine Lehre oder eine Pflicht zu begründen, so wird doch immerhin die verschiedene Stellung und Betonung, sowie der seltenere und öftere Gebrauch eines Wortes nicht ohne Ursache sein, und es wird doch, namentlich in dem Fall, von dem wir gegenwärtig reden, geschloßen werden müßen, daß den Kindern der Gehorsam gewaltig eingeprägt sei. Es versteht sich von selbst, daß bei diesem starken Dringen auf Gehorsam fromme Eltern und fromme Befehle vorausgesetzt werden. Auch die Eltern stehen unter den göttlichen Geboten, sollen und dürfen wider dieselben nichts anordnen; ein Gebot in bösen Dingen ist eben so schlimm, als Gehorsam in bösen Dingen. Die Ausnahmen aber vorausgesetzt, ist und bleibt es aller Kinder unverletzliche Pflicht, ihren Eltern bis zu der bestimmten Zeit der Mündigkeit in allen zeitlichen Dingen, in den geistlichen und ewigen Dingen aber bis an’s Ende gehorsam zu sein.

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 Dem apostolischen Gebote des Gehorsams der Kinder entspricht nun ferner die apostolische Vermahnung an die Väter, ihre Kinder nicht zum Zorne zu reizen, damit sie nicht scheu werden. So wie wir oben aus dem Verbot der Bitterkeit der Männer gegen die Weiber geschloßen haben, daß diese Bitterkeit den Männern leicht zustoßen möchte und uns die tägliche Erfahrung die Bestätigung dazu geliefert hat, so können wir aus dem Verbote, welches der Apostel den Vätern gibt, ihre Kinder nicht zu erbittern oder aufzureizen, gleichfalls den Schluß machen, daß das männliche Herz zu solchem Fehler vielfach geneigt sei. Es ist freilich eine sehr unliebsame Beschreibung des männlichen Herzens, wenn man sich dasselbe als geneigt zur Bitterkeit und zu einem aufreizenden und selbst gereizten Benehmen gegen Weib und Kinder, also gegen die liebsten Angehörigen vorgestellt findet, und es läge allerdings ein wenig Trost darin, wenn man denken dürfte, daß doch selten einmal ein Mann vorkäme, der diese apostolischen Verbote besonders auf sich zu beziehen und deshalb Buße zu thun hätte. Allein dieser Trost wird durch die Erfahrung so ziemlich

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/146&oldid=- (Version vom 1.8.2018)