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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

also hervor, daß die Hirten und Lehrer Befehle haben müßen von ihrem HErrn und König, und daß ihr ganzer Dienst in der Ausrichtung dieser Befehle steht. Sie sind, wie nach dem Schluße des 103. Psalms die Engel, nichts weiter als Diener, die Seinen Willen thun, auf Seinen Willen warten und ihn vollziehen. – Dabei heißen sie aber auch zweitens Haushalter über Gottes Geheimnisse. Ein Haushalter, mit dem griechischen Ausdruck ein Oekonom, war in der alten Zeit nichts anderes, als ein besonders begabter, mit dem Vertrauen seines Herrn beehrter Sclave, welcher den Auftrag hatte, das Vermögen des Herrn, seine Schätze, welche für andere Leute Geheimnisse waren, nach der vom Herrn selbst gegebenen Regel zu verwalten und von seinem Dienste ordentliche Rechnung abzulegen. Man sieht das an dem Gleichnis vom ungerechten Haushalter. Der brachte seines Herrn Güter um, d. h. er gieng anders mit ihnen um, als es nicht bloß des Herrn Nutzen, sondern auch sein Wille war; er hätte damit anders umgehen können und sollen, weil er ja seines Herrn Willen und Nutzen wußte und von demselben auch dazu eingesetzt war, den Willen zu thun, den Nutzen zu schaffen. Als er dagegen handelte, mußte er Rechnung ablegen, und da die Rechnung schlecht ausfiel, Strafe befahren. Aus dem allen zeigt sich, daß ich richtig gesagt habe, was ein Haushalter ist. – Jeder Haushalter ist ein Diener, aber nicht jeder Diener ein Haushalter; ein Haushalter ist ein solcher Diener, der seines Herrn Befehl und Willen im Berufe der Verwaltung seines Vermögens ausübt. Wenn es daher heißt, ein Hirte und Lehrer sei ein Diener und Haushalter Gottes und Christi, so liegt im ersten Worte das Verhältnis zu seinem HErrn im allgemeinen ausgedrückt, im zweiten aber wird der Dienst noch besonders begrenzt und der Arbeitskreiß angezeigt, in welchem der Diener seines Herrn Werk vollbringt. – Der Haushalter eines irdischen Herrn ist über deßen Schätze gesetzt; die Schätze Gottes, über welche Seine Haushalter gesetzt sind, heißen Gottes Geheimnisse. Sind sie über die Geheimnisse Gottes gesetzt, so können diese für sie keine Geheimnisse mehr sein. Wie kann ich Schätze verwalten, die für mich Geheimnisse sind; ich muß doch wißen, was ich verwalten soll. Darum sind die Hirten und Lehrer Verwalter über ihnen geoffenbarte und kundgegebene Schätze Gottes. Für die übrige Familie, d. i. für die andern Sclaven des HErrn, die er sich erkauft hat mit Seinem Blute, können die Schätze Geheimnisse sein, bis sie ihnen durch den Haushalter allmählich auch klar und kund werden. Der Haushalter hingegen hat Uebersicht über dieselben und Einsicht in sie und weiß, was er nach seines HErrn Willen mit ihnen anfangen soll, wie er sie anlegen, ausleihen und austeilen muß, was er einem jeden einzelnen Kinde oder Knechte seines HErrn zu dieser oder jener Zeit, zu diesem oder jenen Zweck zu verabreichen und zu verbuchen hat. – Was die Schätze Gottes seien, ist unschwer zu erkennen, nämlich Wort und Sakrament, Waßer und Geist, Brot und Leib, Wein und Blut, – Gesetz und Evangelium, Lehre und Strafe, Beßerung und Züchtigung, Trost und Friede, und dabei kommt alles darauf an, daß diese Schätze recht ausgeteilt werden, wie denn auch St. Paulus das richtige Haushalten der Hirten und Lehrer in das Orthotomein, d. i. in das richtige Teilen des Wortes setzt. – Ich denke, da haben wir klar und einfach gesehen, was ein Hirte und Lehrer sei, nämlich ein Sclave, ein Aufwärter und Diener des HErrn, angestellt zur Oekonomie, d. i. zum Haushalt, und beauftragt, die von ihm erworbenen Schätze des Wortes und des Sacramentes nach dem Willen seines HErrn zur Erhaltung und Emporbringung seiner Familie und seines Haushalts zu verwalten.

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 Das scheint nun ganz eine Erklärung zu sein nach dem Sinne des Volkes im 19. Jahrhundert. Pah, werden die Kinder der Zeit unter euch sagen, da haben wirs also, was die Pfarrer sind, Sclaven sind sie, Aufwärter, Knechte; aus ists also mit der Hierarchie, mit der Priesterherrschaft, und verflucht ist, wer die anbahnen will, nachdem sie in der Reformationszeit abgethan ist. Ihr habt auch recht, wenn ihr der Priesterherrschaft nicht hold seid; ich wehre mich dagegen, ein Kind der Zeit in diesem Stücke zu sein und bin doch auch ein Feind der Priesterherrschaft, und zwar deshalb, weil der Chorführer der heiligen Apostel, deßen Nachfolger die römischen Päpste zu sein vorgeben, den Hirten und Lehrern zuruft: sie sollen nicht sein, als die über das Volk herrschen, sondern Vorbilder der Heerde. Pfarrer haben nichts zu herrschen, und wenn man sie, wie in unserm bayerischen Vaterlande, zu den Herren und geistlichen Obern zählt, so ist das ein menschliches

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 021. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/28&oldid=- (Version vom 1.8.2018)