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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

das seligste Verhältnis, welches sich denken läßt, nämlich: der Sünder wäscht JEsu die Füße. Es ist in der Weigerung Petri bei allem verkehrten Widerstreben so viel Demuth, Feier, Anbetung und Liebe, daß sein irrender Sinn wie ein heiliges Beispiel vor uns offenbar wird. – O, daß ich nie anders gefehlt und gesündigt hätte, als so, als aus irrender Liebe, aber doch aus starker kräftiger Liebe zu JEsu!

 Auch der HErr schont Petrum! Statt eines ernstern Wortes für die Störung, die er Ihm macht, folgt eine deutlichere erklärende Rede. Da liegt Er vor Seinem Jünger mit Waschbecken und Handtuch und wartet auf seine, des armen Sünders Einwilligung zum hohen Vornehmen. Da liegt Er und handelt und fast möcht ich sagen, bittet um die sündigen Füße – weil es ja gilt, Petro Theil an und mit seinem HErrn zu verschaffen, und weil Petrus diesen Theil ohne das Geheimnis der Fußwaschung nicht finden kann. „Wenn ich Dich nicht wasche, so hast Du kein Theil mit mir!“ spricht der Gnadenreiche, der in Seinem ewigen Königreiche nur Gäste und Diener brauchen kann, welche sich von Ihm durch Sein Waßer und Sein Blut reinigen laßen. Das war nun allerdings für Petrus auch noch keine klare Antwort. Was hat das Fußwaschen mit einer Reinigung für das ewige Leben zu thun? Er versteht’s nicht. Aber es klingt in seinen Ohren: „Kein Theil mit mir, oder Ich wasche Dich!“ Da ist Alles auf einmal anders. Es handelt sich nicht mehr um das demüthige und rechte Verhältnis des Dieners zum HErrn, sondern um den Theil mit Ihm, um die Verbindung und Verkettung des eigenen Looses mit dem des HErrn Was hilft da ferneres Weigern der Füße. Das umgekehrte Verhalten tritt nun ein – aus Beständigkeit, nicht aus Unbeständigkeit, denn seines HErrn sein wollte Petrus, als er die Füße nicht wollte waschen laßen und als er mehr wollte als das – „HErr, nicht meine Füße allein, ruft er, sondern auch die Hände und das Haupt.“ Gilts meinen Theil an Dir, so laß ich mich auch von Dir waschen, ich armer Sünder: – da hast Du Füße, Hände und Haupt. Ich will mit Dir erben – so viel ich kann, ganz Dein sein, daß Du ewig mein seiest. – Auch diese Worte Petri sind nicht, wie sie sollen; wie viele haben großen Tadel über sie ergoßen, sie im Sinne des Hochmuths aufgefaßt! Aber dennoch, dennoch schriee auch ich mit Petro: „Nicht meine Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt,“ wenn ich nicht die Antwort Christi wüßte, die auch Petrum beschwichtigte und ihn zum einfachen Gehorsam brachte. Petrus will seines HErrn und in Seinem heiligen ewigen Erbe sein – und gegenüber aller Lauheit und Trägheit ist mir sein munteres, freudiges, feuriges Aufspringen und sein Sturz in JEsu Hände und an Seinen Hals ganz aus der Seele geschehen. –

 Gegenüber mir und einer Welt, die für Petri Fehler, nicht bloß für seine Tugend zu klein ist, lese ich im Evangelium von dem großen Beispiel der dienenden Liebe JEsu auch eine Empfehlung der Liebe und Anbetung Petri vor den Füßen JEsu.


Am Charfreitage.
Matth. 27, 26.

 BIst Du’s oder bist Du’s nicht? Irre ich oder ist es Wahrheit? Da stehst Du an der Martersäule in Deiner Blöße, Du Heiliger, den Licht und Klarheit auf dem heiligen Berge umgeben hat und nun ewig umgibt auf dem Throne der Ehren! Deine Arme sind um die Säule geschlungen; Du hältst Dich an ihr, als sollte sie Dich halten; sie haben Dich an sie angebunden, damit Du ihren Hieben nicht ausweichen könnest; sie schlagen und geißeln unbarmherzig, auf daß die Geißelung auch werth sei, eine Todesvorbereitung zu heißen. Dein heiliger, zarter Leichnam windet sich unter der grausamen Todesvorbereitung, Dein Blut rinnt in Strömen aus Deinen Adern. So muß ich Dich sehen, Du schönster, Du heiligster, Du barmherzigster Menschensohn, Du wirst gegeißelt, gegeißelt wirst Du von den unbarmherzigen Kriegsknechten. Ich bedarf nicht die Phantasie derer, die Deine Leiden im Gesichte sahen, ich darf mir nur die Geißelung der römischen Kriegsknechte denken, wie sie Bluturtheilen voranzugehen pflegte, und die Umstände auf Dich anwenden; so tritt mir ein Bild entgegen, das mir die Frage eingibt: bist Du’s oder

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/352&oldid=- (Version vom 1.8.2018)