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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Jüngern segnete, kein Abendmahl war. Aber ich kann es nicht laßen, in dem Gang der Handlung JEsu vom Wort zum Brotbrechen auch für uns eine Weisung zu finden, eine österliche Weisung! Höre Sein Wort, jammernde, suchende Seele! „Also mußte Christus leiden und zu Seiner Herrlichkeit eingehen“, dieß große Thema aller evangelischen Verkündigung eröffnet dir die Pforten guter Hoffnung auf Genüge und selige Freude. Lebe dich ein in alles Leben JEsu – und dann, und dann komm zu Seinem Tisch, wo ER die Speise segnet und den Trank, wo ER den Seinen die Augen in Seiner Gegenwart öffnet. Er wird erkannt am Brotbrechen, am Sacrament: höhere Seligkeit hat die Erde nicht. Aller Erdenfreude Gipfel ist im Mahle JEsu.

 Gestern eine Mahnung ans heilige Mahl, heute eine. „Wie wenn das heilige Mahl mit der Auferstehung so ganz völlig verwachsen wäre!“ Recht so, lieber Bruder. Ohne Auferstehung kein Abendmahl, und im Abendmahl alle Kräfte der Auferstehung. Gesagt aber darf es werden ein Mal und noch ein Mal, warum? Weil das eine Wahrheit ist, die man oft vergißt – und die doch so selig ist.


Am Sonntage Quasimodogeniti.
Joh. 20, 19–31.

 DUrch verschloßene Thüren tritt der auferstandene HEiland am Osterabende bei den Seinigen ein. Die Nägelmaale, welche auch den verklärten Händen, die Seitenwunde, welche auch dem auferstandenen Leibe des HErrn geblieben waren, überzeugten die Jünger, daß Er Selbst, der HErr, der am Kreuze gestorben war, lebendig vor ihnen stand. Er ist nun durch die Auferstehung von den Todten kräftiglich erwiesen als Gottes Sohn, Röm. 1, 4. Alle Seine Worte, die Er von Seinem Leiden gesprochen hat, sind nun erwiesen als Gottes Worte, Seine Werke als Gottes Werke; Sein Leiden und Sterben ist nun nicht mehr Beweis der Niedrigkeit, sondern Beweis einer unausforschlichen Erniedrigung des „Mannes, des HErrn“, wie Ihn Eva nannte. Sein ganzes Leben erscheint im Lichte der Auferstehung als eine Gottesthat, als eine reiche, strömende Quelle der seligsten Folgen. Jetzt klingt freilich das „Friede sei mit euch“ ganz anders, als am Abend vor Seinem Leiden, und das „Meinen Frieden gebe, Meinen Frieden laße Ich euch, nicht gebe Ich euch, wie die Welt gibt“. ist nun aus dem trübseligen Geheimnis Seiner Leiden in den Glanz Seines Sieges getreten. Vom Frieden des allmächtigen Mittlers, des Sohnes Gottes, Deß Todesschmerzen aufgelöst sind, Dem unmöglich war, daß Er sollte vom Tode gehalten werden (Apostelgeschichte 2, 24), – vom Frieden Deßen, den kein Feind mehr anficht, Deß Auge Himmel und Hölle fürchten, – von einem solchen Frieden ist die Rede. „Unter solchem Schirmen ist man vor den Stürmen aller Feinde frei.“

 Brüder, was wäre die Welt, was wären wir, wenn dieß „Friede sei mit euch“ bloß zu den Jüngern, die Seine persönliche Stimme hörten, gesprochen wäre, wenn wir, wenn alle andern Menschen, wenn die Menschen aller andern Zeiten von dem Frieden ausgeschloßen wären! Acht Menschen entrannen dem Verderben im Frieden über ungestüme Waßer der Sündfluth! Zehn Menschen, zwei mehr als zu Noahs Zeiten, hatten im neuen Testamente sichern Frieden gefunden, alle andern wären ein friedlos, freudlos Meer, das im Grimme des HErrn brausen müßte, bis es vor Seiner Erscheinung verrauchen würde wie „Wachs vor Feuershitz!“ An der sichern Freude von zehen Menschen bräche sich in verzweiflungsvoller Brandung das übrige Menschengeschlecht! Gott Lob, Lob dem Auferstandenen, daß es nicht so ist! – Höre, mein Bruder, – Menschen alle, die ihr Frieden wünschet, höret und vernehmet, wie der HErr für die Fortpflanzung Seiner Friedensbotschaft auf alle Geschlechter sorgt! „Gleich wie Mich der Vater gesandt hat, spricht der HErr, so sende Ich euch. Und da Er das sagte, blies Er sie an und spricht zu ihnen: Nehmet hin den heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlaßet, denen sind sie erlaßen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten!“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 351. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/359&oldid=- (Version vom 1.8.2018)