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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

sein, daß wir in diese Gemeinschaft kommen, oder im Falle wir schon darin sein sollten, davon eine recht gewisse und sichere Nachricht bekommen. Hiezu aber dient uns der erste Vers unserer Epistel. „Wißet ihr nicht, daß, so viel wir in Christum JEsum getauft sind, sind wir in Seinen Tod getauft?“ Da sehen wir also, daß in JEsum Christum getauft werden nichts anders heißt, als durch die Taufe mit Ihm in Gemeinschaft kommen, und daß also in Seinen Tod getauft werden auch nichts anders heißen kann, als durch die Taufe in die Gemeinschaft Seines Todes kommen, oder mit Ihm gepflanzet werden zu gleichem Tode, und eben deswegen zu gleicher Auferstehung, und zwar wie uns der übrige Inhalt unseres Textes zeigt, ebensowohl des leiblichen, als unseres geistlichen Lebens. Daraus erkennen wir also, daß uns Gott der HErr die Gemeinschaft des Todes und der Auferstehung JEsu in der Taufe schenkt, daß alle Getauften von Gottes wegen in dieser Gemeinschaft stehen, daß wir um derselben gewis zu werden, nur auf unsere Taufe schauen dürfen, daß sich unser Glaube, um die Gemeinschaft zu erlangen, nur an den Taufbrunnen hängen darf, und um sie zu genießen und zum Leben zu erziehen, sich nur die seligen Wirkungen unserer Taufe anzueignen braucht. Ist uns die Gemeinschaft mit Christo für diese und jene Welt wichtig, liegt uns am Ende alles an ihr; so muß uns auch die Taufe, in welcher die Gemeinschaft gestiftet wird, durch welche wir als Reben in den Weinstock Christus zu einer Gemeinschaft des Todes und Lebens eingepflanzt werden, von Tag zu Tage wichtiger und theurer werden. An der Taufe hält sich unser Glaube; sie ist die große That Gottes, durch welche wir mit unserem HErrn und Haupt verknüpft sind; ohne sie fehlte uns namentlich für die Zeiten der schweren Anfechtungen, die über alle Christen kommen, der sichere Grund, auf welchem unser Friede Anker schlagen kann. Hätten wir die Taufe nicht, so hätten wir zwar allerdings das Wort, aber das Wort lockt zur Taufe, predigt von der Taufe, rühmt ihre Schätze, macht aber eben damit gewis die große Gottesthat nicht überflüßig, die Taufe selbst, durch welche wir Gewisheit und Ueberzeugung bekommen, daß auch wir alles Gotteswort uns zueignen und in all die Gemeinschaft Gottes und Seines Sohnes eintreten dürfen und sollen, von der es predigt.

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 Von der Taufe beginnt unser Text, mit dem Ruhm und Preis der Taufe schließt die Predigt. Wie viele sehnen sich nach der Gemeinschaft mit Christo und wißen nicht, daß sie dieselbe bereits besitzen, seitdem sie getauft sind. Wie viele rühmen und preisen die Gemeinschaft des Todes und der Auferstehung Christi als ihnen entzogene, weit entrückte Güter eines fernen unbekannten Landes, während sie längst ermächtigt sind, ja von den kindlichen Tagen her, an ihrer Taufe diese doppelte Gemeinschaft zu genießen. Ach wie viele suchen nach der hohen Gnade, ohne der Gnadenmittel zu achten, die wie der Bach am Lebenswege verheißend und einladend ihre Waßer allenthalben ausgießen und Leben und Seligkeit so leicht machen. Wie oft klagt ein Freund dem andern, daß er zur Gewisheit seiner Gemeinschaft mit Christo nicht gelangen könne, während doch die Siegel der Gemeinschaft an Seinen Armen klingend hängen, und das Gedächtnis und Zeugnis der längst empfangenen Taufe die Seele in den stillen Frieden und in die lebensvolle Regsamkeit der Gemeinschaft mit Christo einführen könnte, dazu den Glauben stärken und wecken, Dank und Liebe zu Dem hervorrufen, der ohne Geräusch, aber doch sehr kenntlich die Seinen durch Seine Gnadenmittel dem seligsten Ziele entgegen führt. Gewis ist es großer Schade je und je für die Kirche gewesen, daß man neben der Belehrung und Predigt von den Gütern des Heils die Mittel des Heils nicht genug hervorhob, und eben damit den sicheren einfachen Weg nicht zeigte zu dem Glücke, welches man aller Welt gönnte und predigte. Möchte ich unter Euch diese Schuld nicht tragen, möchte ich allezeit nicht minder von der Gemeinschaft Christi reden, als von den seligen Gnadenmitteln, die zu ihr fördern. Auch heute sei am Schluß ein Posaunenstoß gethan, der Eure Gedanken zu Eurer Taufe versammelt. Steigt im Geist hinab zum Taufbrunnen: da in diesem sprudelnden Waßer soll Euer alter Adam sterben. Da sinkt er unter, wie der Leichnam beim Begräbnis in die Erde. Daraus hervor aber hebt sich auch ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinigkeit vor Gott ewig lebt. Tod und Leben folgen hier einander, hier wird

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 044. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/420&oldid=- (Version vom 1.8.2018)