Seite:Wilhelm Löhe - Epistel-Postille.pdf/478

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

einen von innen nach außen. Allein was richtig ist nach dem Gedanken, ist nicht immer gerade so im Leben aneinandergereiht, und weise Seelsorger gehen oft den Weg von außen nach innen, so wenig ihnen verborgen ist, daß der Zweck nicht erreicht ist, bevor das Innere geheiligt ist und JEsu Eigentum geworden. So wendet sich denn der heilige Apostel zuerst gegen das äußere Hervorbrechen des Hochmuths in den Worten des zweiten Verses in unserm Texte (5, 26.): „Laßet uns nicht eiteler Ehre geizig sein, unter einander zu entrüsten und zu haßen.“ So lauten seine Worte nach Martin Luthers Uebersetzung. Es gibt eine Anerkennung, eine Ehre, welche einer dem andern nach Gottes Wort schuldig ist, die kann sich auch jeder wünschen, wie er sie gerne gibt und gewährt. Es ist ein trauriges, gedrücktes, leicht entmuthigendes Leben, wenn einer beständig mit Misdeutung seiner Wege, mit Mißverstand seiner Absichten, mit Verachtung zu kämpfen hat. Allein diese Anerkennung wird oft den treuesten Kindern Gottes entzogen, und es ist zuweilen das Loos der Redlichen, ohne Ende im Nebel böser Gerüchte, Vorurtheile und Verwerfungsurtheile zu gehen. Wem dies gefährliche, aber recht verstanden dennoch köstliche Loos beschieden ist, der darf sich gegen den hervortretenden göttlichen Willen und die Zulassung des allerhöchsten Vaters nicht selbstsüchtig wehren und nach Anerkennung geizen, um Ehre buhlen, – zumal wenn die Ehre selbst nur eine eitle, leere, vergängliche ist, wie es meistens der Fall ist, nicht um Gottes willen gegönnt und gegeben wird. Der Christ folgt dem Zuge des Geistes, wenn ihm Unrecht geschieht, – er wehrt sich nicht, ringt, strebt und geizt nicht nach Ehre. Er folgt dem Apostel, welcher ermahnt: „Laßet uns nicht eitler Ehre geizig sein.“ – Der Apostel setzt zu der allgemeinen Warnung, welche wir eben vernommen haben, noch zwei andere hinzu: „uns einander zu entrüsten und zu haßen“, oder uns einander herauszufordern, wie es wörtlich heißt, und zu neiden. Tritt, wenn dir die gebührende Ehre verweigert wird, als Vertheidiger derselben auf, sag nichts, als was wahr ist, von dir selbst, vor den Ohren derer, welche dir nicht geneigt sind, so wirst du sie schon damit herausfordern, entrüsten, ihren Neid entflammen, ihren Haß anschüren. Bist du aber vollends eitler Ehre geizig, verlangst du Ehre, wo dir keine gebührt, erkennt man deinen Hochmuth, deine maßlosen Ansprüche aus deinen Reden, so sieh zu, wie du dann herausforderst, Neid und Unmuth reizest und dir und andern das Leben vergällst. Die Demuth bewahrt sich im Frieden und andere nicht minder, sie vermeidet eigene und verhütet fremde Sünde, sie ist friedfertig und hält Frieden; der Hochmuth, der auf eigne Gabe und Herrlichkeit pocht, hat und hält, stiftet und findet keinen Frieden. Aus dem hochmüthigen Suchen eitler Ehre folgt das was wir sahen und dem Apostel nachsagten, Entrüstung, Haß und Neid. Und das soll nach des Apostels Mahnung sterben. – Von dieser äußern, todeswürdigen Erscheinung des Hochmuths geht aber des Apostels Wort auch auf das innere Wesen des Hochmuths über, indem er im Verlauf des Textes sagt: „So sich jemand läßt dünken, er sei etwas, so er doch nichts ist, der betrügt sich selbst.“ Das hochmüthige Gebaren des Menschen, welcher eitler Ehre geizig ist, beruht in dem innerlichen Dünkel, selbst etwas zu sein. Wer nicht eine hohe Meinung von sich selbst in sich trägt, wird nach außen hin keine geltend machen, keinen Wiederspruch seines Ausspruchs erleiden, unangefochten und im Frieden bleiben. Wer aber von sich selbst hoch denkt, der wird das Gegentheil erfahren. Er wird, innerlich betrogen und auf einem Abweg in Beurtheilung seiner selbst, andere mit seinem eitlen Selbstbetrug anstecken wollen. Diese werden sich dagegen sträuben, er wird nicht erreichen, was er wünscht, – und es wird ihm nichts übrig bleiben, als entweder sich eigensinnig in seinem Irrtum zu verhärten, oder ihn wegzuwerfen. Das Letztere muß St. Paulus wünschen. Deshalb leitet er die Christen (Cap. 6, 4. 5.) zum innerlichen Werke der Selbstertödtung an. „Ein jeglicher prüfe sein selbst Werk, und alsdann wird er an ihm selber Ruhm haben, und nicht an einem andern.“ Prüfe deine Werke, – prüfe sie nach Gottes Geboten, – halte sie vor den reinen Spiegel Seines Wortes, bring sie ans Licht Seiner Rede, so wird der Mangel, der Fehl, die Untugend so klar hervortreten, daß dir der eitle Ruhm vergeht. Wer von dem äußerlichen, hochmüthigen Gebaren und von dem innerlichen eitlen Dünkel frei werden will, der übe treu und redlich das Selbstgericht. Er vergleiche sich aber nicht mit andern und suche seinen Ruhm

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/478&oldid=- (Version vom 1.8.2018)