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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

zur Freude, welchen der 13. Vers enthält, auch eine Anweisung zum Benehmen finden will. Doch kann man allerdings dagegen sagen, die Freude sei nicht immer eine verantwortliche Sache bei den Christen, sie könne nicht wol zu einem Gebote gemacht, vielmehr müße sie als Gabe erkannt werden. Der Aufruf zur Freude erwecke die in uns ruhende Gabe der Freuden, und man könnte sich allerdings versündigen, wenn man die Mahnung und den Drang zur Freude träg an sich vorübergehen laße; ob man es denn aber selber in seiner Hand habe, den Freudenquell fließen zu laßen und dem Aufruf zur Freude zu folgen, wenn innerlich keine göttliche Hand das Freudenbrünnlein entsiegelt? Ganz ohne Grund wird diese Rede nicht sein und man spürt es, wenn man sich als Probe die Frage aufwirft, ob die Freude eine Pflicht sei? Man möchte gerne antworten: ja, man kann aber nicht ohne weiteres, während man unbedenklich die beiden Punkte, von denen wir noch zu reden haben, als pflichtmäßiges Benehmen der Leidenden Gottes faßen kann.

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 Im 16. Vers sagt St. Petrus: „Leidet Jemand als ein Anhänger Christi, so schäme er sich nicht, sondern er preise Gott in diesem Stücke.“ Da habt ihr die erste Weisung zum Benehmen des leidenden Christen: sich nicht schämen, Gott in diesem Stücke preisen. Nichts ist gewöhnlicher als die Scham, wenn man um Christi willen wie ein Verbrecher behandelt wird. Man kann dahin kommen, daß man sich nicht blos innerlich von Gott gerichtet fühlt, sondern sich auch die Frage aufwirft: ob die Ungläubigen nicht Recht haben, uns so zu behandeln. Gieng es doch dem heiligen Petrus im Vorhof des Hohenpriesters gerade so. Oder ist es etwas andres, als die Verwirrung der falschen Scham, was ihn zur Verleugnung hinriß. Stand doch Christus in der Nähe mit der Hoheit und Majestät seiner Unschuld, und nicht einmal die persönliche Gegenwart des HErrn bewirkte, daß Petri doch sicher liebevolles Herz der Versuchung widerstehen und treu verbleiben konnte? Da fiel der Held durch falsche Scham. Ebenso gieng es demselben Helden zu Antiochien bei der Geschichte, von welcher St. Paulus im Galaterbriefe erzählt. Petrus gerieth beim Eintritt der Judenchristen von Jerusalem in die Verwirrung der falschen Scham, dazu auch Barnabas und die andern, die es beßer wußten, und so fielen sie in die Sünde dahin, in die Sünde der Verleugnung und Weltförmigkeit. Vor dieser falschen Scham hüte sich jeder Christ. Du schämst dich, in friedlicher Umgebung der Kinder der Welt den Namen JEsu anzurufen, ja du erröthest, wenn dich jemand betend trifft, obgleich doch das Gebet, wenn du, ohne es zu wollen, darinnen erfunden wirst, nicht Schamröthe, sondern ein sprühendes Auge der Freudigkeit und die Majestät eines Moses geben sollte, die er hatte, wenn er aus der Hütte kam. Schämst du dich aber des Guten und deines höchsten Glückes, so sieh zu, wie du den Befehl des Apostels, sich nicht zu schämen, wirst befolgen können, wenn es einmal gilt, um des Namens JEsu willen Schmach und Streiche zu leiden. Es ist eine verbotene Sache um diese falsche Scham, und eine Schmach für den Gekreuzigten, wenn sich die Seinen der Gemeinschaft Seiner Leiden schämen. Nicht Scham gehört auf die Wangen, sondern Gottes Preis, Lobgesang und Dankpsalm auf die Zunge des leidenden Christen. Wenn die Freude kein so großer Gegensatz ist der Leiden, daß sie sich nicht bei dem leidenden Christen einfinden könnte, wenn Leiden um des Namens JEsu willen ein Gegenstand der Glückwünsche und Seligpreisung Christi und Seiner Apostel ist, und sich Glückseligkeit und Leiden nicht widersprechen, so ist auch Leiden und Lobpreisung kein Widerspruch, kein Wiederspruch des Gedankens und der Erfahrung. Die Apostel freuen sich, daß sie gewürdigt werden, um des Namens JEsu willen Strafe und Streiche zu leiden. Paulus und Silas loben um Mitternacht im Kerker den HErrn so voller Freuden, daß die Pforten springen. Aehnlich kann mans von andern spätern Bekennern und Märtyrern lesen. – Ihr leset, meine Brüder, keine Leidensgeschichten der Märtyrer und Bekenner der alten Zeiten. Weil es Legenden und Lügenden gibt, mit Luther zu reden, dünkt euch alles Lügende, und es scheint euch der Gewinn viel zu gering, den ihr haben könntet, wenn ihr beim Lesen das leicht erkennbare Falsche von dem Wahren scheiden und dieses genießen würdet. Ich versichere euch aber, daß nach der heiligen Schrift kaum etwas eine so mächtige, erbauliche Kraft, und ich möchte sagen Gewalt, auf die Seele ausübt, wie die echten Leidensgeschichten der Märtyrer und insonderheit der wunderbare Gehorsam, welchen sie dem apostolischen Gebote,

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 079. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/86&oldid=- (Version vom 1.8.2018)