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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Man sollte deshalb denken: Unglaube an Weiberworte müße nicht nothwendig aus Herzenshärtigkeit gestammt, könne gute Gründe gehabt haben, könne wenigstens entschuldigt werden. Und doch entschuldigt der HErr nicht, sondern Er schilt den Unglauben, und nennt Herzenshärtigkeit als Ursprung desselben. − Daraus können wir uns manches abnehmen, liebe Brüder! Gesetzt es wäre das Zeugnis der Apostel, die JEsum auferstanden sahen, weiter gar nichts, als was den Weibern auch zugestanden werden muß, Augenzeugnis, Augenzeugnis einfacher, redlicher, durch keine göttliche Leitung und Eingebung über alle Zweifel erhabener Männer; so würden wir uns doch, wofern wir nicht glauben wollten, das Misfallen des HErrn zuziehen; nicht für Weisheit und Verstand, sondern für Herzenshärtigkeit würde Er das auslegen, Er der Herzen und Nieren forschet; schelten würde Ers. Was wird Er denn also thun, wenn wir denen nicht glauben, durch welche der heilige Geist Selbst Zeugnis gibt, deren menschliche Glaubwürdigkeit durch eine göttliche erhöht ist? Wird Ers minder für Herzenshärtigkeit erkennen, weniger schelten? Das zu beantworten, ist so leicht, daß ich mir die Antwort sparen kann. Christus will es nicht haben, daß wir einen Zweifel in das apostolische Zeugnis setzen; vielmehr zeigt Sein letzter Befehl, daß Er alle Welt an das Wort der Apostel und an den Glauben weist, den wir diesem Worte schenken.


 Des HErrn letzter Befehl ist: „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Creatur.“ Gehen, rastlos, in alle Welt hingehen, predigen, das Evangelium von der Auferstehung Christi predigen, es aller Creatur predigen, das ists, was den Jüngern aufgetragen wird. Es war des HErrn letzter Auftrag, wir wißen keinen spätern aus Seinem Munde. Deshalb sollte er uns wichtig, werth und heilig sein, vieltausendmal mehr als ein letztes Vater- oder Elternwort. Es war ein Auftrag, der nicht klein war; denn die Apostel sollten ja in alle Welt gehen und aller Creatur das Evangelium predigen. In alle Welt gehen, das ist ein weiter Gang, zumal sich die Jünger ihre Aufgabe schwerlich durch die Auslegung verringert haben werden, welche heut zu Tage gäng und gebe ist. Sie werden schwerlich aus den Worten „in alle Welt“ ein „möglichst weit in die Welt“ gemacht, sie werden wohl nicht geglaubt haben, daß der HErr Seinen letzten Befehl durch eine sprichwörtlichübertreibende Redensart verhüllt und undeutlich gemacht habe: sie werden die Worte verstanden haben, wie sie lauteten. Das war denn freilich ein gewaltiger Auftrag, auch wenn man gar nicht an die dreifache Erweiterung desselben denkt, die sich in einem andern Evangelium aufgezeichnet findet, nicht an das „machet zu Jüngern,“ „taufet,“ „lehret sie halten alles, was Ich euch befohlen habe.“ Ueberdieß erwarteten die Jünger die Zukunft des HErrn in Baldem und konnten Seinen Befehl nicht anders als so nehmen, daß er bis zur Stunde Seiner nahen Wiederkunft jeden Falls erfüllt sein sollte. Welch einen Sporn wird ihr Herz empfangen haben, so oft sie bedachten, daß für die kurze Frist ihnen und denen, die durch ihr Wort gläubig geworden waren, ein so weites Arbeitsfeld, eine so große Arbeit aufgethan und angewiesen war! − Und doch war der Befehl, selbst wenn man ihn in der Vollständigkeit nimmt, wie ihn Matthäus erzählt, ganz gemäß jenem Worte Christi: „Der heilige Geist wird zeugen, und ihr werdet auch zeugen.“ Er legte nicht auf menschliche Schultern, was sie nicht zu tragen vermochten, was nur der heilige Geist durch sie wirken konnte; bloß eine menschliche Thätigkeit legte ihnen der HErr auf. Nicht bekehren, nicht befriedigen, nicht heiligen, nicht vollenden sollten sie, sondern nur predigen, taufen, lehren; das sollten sie und konnten sie, das sollen und können nach ihnen auch wir. Das wollen wir auch, und nehmen es gerne und mit Freuden auf uns, weil nur unsere Gewißen geschont, weil uns nur nicht auferlegt ist, was uns unmöglich und zu schwer werden würde, nemlich die Wirkung des Predigens und Lehrens und deren Verantwortung! Freuen wir uns des weisen Befehles JEsu! Predigen sollen wir den Aposteln nach und predigen laßen, wenn wir selbst nicht Prediger sind; das zu bewerkstelligen, soll uns weder Fleiß noch Opfer fehlen. Aber wenn neben dem Predigen auch der Glaube, der aus der Predigt kommt, uns auf Rechnung käme, und wir den verantworten sollten: wer würde da Prediger sein wollen? Wer sein können? Der Glaube ist eine Gabe und Gnade Gottes und gehört in unserm Evangelium nicht zum

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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/233&oldid=- (Version vom 4.9.2016)