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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

 Am Sonntag Lätare lasen wir, daß der HErr Seine Jünger fragte, „wo kaufen wir Brot, daß diese eßen“? Im heutigen Evangelium lesen wir, daß die Jünger fragen: „Woher nehmen wir Brot hier in den Wüsten, daß wir sie sättigen“? Des HErrn Frage an die Jünger war eine Frage der Versuchung zum Guten, während Er Selbst ganz wohl Rath wußte. Dagegen die Frage der Jünger an Ihn war eine Frage der Rathlosigkeit. Er aber, der HErr, weiß auch dies Mal Rath. Es gibt Zeiten, wo es der Mensch nicht vermag, nach St. Pauli Befehl alle seine Bitte in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden zu laßen, − wo die Last der Noth und Sorge zu schwer drückt, − wo der Zusammenhang der Seele, der gequälten, mit Gott nur noch in halb hoffnungsvollen, halb zweifelnden Fragen an den HErrn laut wird. In solchen Fällen ist dann der HErr nicht ferne, und obschon die Seele wankt, wankt Er doch nicht, sondern bringt Seine zagenden, zitternden Schafe eilends auf eine fröhliche grüne Weide, wo alle Sorge sich auflöst in Scham und Reue für den halben Zweifel, dem die Seele Raum gegeben, und in Dank, der um so inniger, weil er durch keine Bitte sich selbst angekündigt und geweißagt hatte. So ist es hier. Die Jünger sehen keinen Ausweg, aber Er ist reich über alle, für welche die Jünger sorgen. Er ist reich über alle, die Sein bedürfen, seien es nun Tausende oder Millionen. Ohne Bitten, aus eigener, freier Bewegung reicht Er das Almosen Seiner Gnade und hilft. Es ist Ihm dabei auch ganz gleich, durch wenig, oder durch viel helfen, oder auch durch nichts; denn Er kann auch dem rufen, das nicht ist, daß es sei, und alles ist Ihm möglich. − Ach, warum zagen wir so oft, da wir doch wißen, daß JEsus lebt? Sind wir in Verlegenheiten, die unsre Schwachheit verschuldet hat, so ist ja bei Ihm die Vergebung und viel Erlösung bei Ihm. Und haben wir wißentlich die Noth nicht verschuldet, verdammt uns unser Herz nicht, so sollten wir ja viel mehr Freudigkeit haben, zu Ihm zu beten, und nicht zweifeln, daß Er uns erhören wird. Er hat doch vielen Tausenden und viel tausendmal aus großem Gedränge auf weiten Raum geholfen und gepreßte Herzen erleichtert und erweitert! Warum weinen und zagen und trauern wir denn und senken die Häupter, da der alte Gott und Heiland noch immer lebt, der Petro die Hand reichte und den Jüngern im Schifflein zurief: „Ihr Kleingläubigen, warum zweifelt ihr“?


 Laßt uns, unser Herz zu erfreuen und zu ermuthigen, die schöne Hilfe JEsu genauer ansehen, liebe Brüder! Er gibt Speise den Hungrigen − und all Sein Geben ist von der Art, daß Er dadurch noch mehr als durch die Gabe selbst die Seele anzieht. Es ist doch gar nicht einerlei, wie einer gibt. Wer zuvorkommend und freundlich gibt, der gibt zwei mal und drei mal, während der langsame, mürrische Geber durch diese häßliche Art des Gebens die Hälfte seiner Gabe wieder nimmt und in den süßen Freudenwein derselben bittere Thränen und Wermuth träufelt. Heiliger, frommer Geber, HErr JEsu, wie gibst Du Dein Almosen Deinen Armen? Das laß uns lernen und es nachmachen. Du gibst, Du ißest nicht selber − und doch dankst Du, dankst für die Almosen, die Du geben kannst. Du gibst − und willst von Deinen Empfängern die heilige Feier der Ordnung; feierlich stille, feierlich geschaart sollen Deine Armen das Brot Deiner Danksagung dahinnehmen. Heiligkeit und Zier ist bei Dir überall − und wie Dein Apostel befiehlt, dem nachzudenken, was lieblich und schön ist, so ist in Deinem eigenen Thun und wo Du regierst, Wahrheit, Güte, Schönheit − alles beisammen. So sollte es auch bei uns sein. Auch wir sollten den Armen, die Du zu uns sendest, die Gabe mit Danksagung reichen; das Brot unserer Armen sollte ein Brot der Danksagung sein und der Becher frischen Waßers, den wir darreichen, ein Kelch der Danksagung. Denn geben können, ist selige Freude und alles Dankes werth. Geben ist seliger als nehmen, darum sollte der Geber mehr danken als der Nehmer. Wie wenig denken wir daran! Wie viele mögen unter uns sein, die auch nur ein einziges Mal ihre Almosen mit Danksagung begleitet haben, geschweige daß es ihnen zur heiligen süßen Gewohnheit geworden wäre, danksagend zu geben! Ach daß wir so ungelehrig sind für Himmelsfreuden; denn ein dankendes Geben ist gewis Himmelsfreude! Danken ist ein köstlich Ding; Geben ist selig − wie kann es anders sein. Laßt uns doch gerne die von Gott gegönnten Freuden lernen! Dieß Wort der Ermunterung und Ermahnung gilt auch für alle liebliche Ordnung, die wir bei unserm

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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 048. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/387&oldid=- (Version vom 17.7.2016)