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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Geben Christo nach beobachten können; denn die Uebung seiner heiligen Ordnung ist von ihm gegönnte purlautere Freude. − Und noch etwas, meine Freunde, das ich nicht verschweigen kann, das ich euch sagen will, so oft ich immer Gelegenheit habe, es sagen zu können. Des HErrn Danksagung ist ein Tischgebet. Christus hielt die schöne Sitte Seiner Heimat und Seines Volkes fest. Werden wir Ihm nicht nachfolgen? „Alle Creatur Gottes ist gut, spricht St. Paulus, so sie mit Danksagung empfangen wird“; wie wenn sie ohne Danksagung nicht gut wäre. „Alle Dinge werden geheiligt durch das Wort Gottes und durch Gebet,“ spricht Er gleichfalls, so daß also ohne Gottes Wort und Gebet nichts, auch die Speise nicht heilig ist! Das haben sich unsere Väter gemerkt − sie machten jedes Mahl, das sie genoßen, zu einem Opfer. Erst brachten sie es Gott dar, weil Er es gegeben hatte und weil sie sein Geben durch nichts mehr anerkennen konnten, als durch Zurückgeben; dann nahmen sie es wieder mit Danksagung dahin und genoßen es als eitel Opferspeise. Ihr Eßen gesegneter mit Dank geweihter Speisen däuchte ihnen nichts anders zu sein, als ein Eßen mit Gott, in Seiner Gegenwart, unter Seinen Augen! Hatten sie Unrecht, liebe Brüder? Sind das nicht lauter wahre und heilsame Gedanken? Dürften wir sie nicht auch aufnehmen und darnach wandeln? − Ach HErr, schenk uns dazu Deinen Geist und gib uns Muth, zu thun wie Du und unsre Väter, zu denken und zu thun, wie sie! Wir eßen oder wir trinken, so laß uns doch alles zu Deiner Ehre und in Deinem Namen thun.


 Der HErr bricht das Brot Seiner Barmherzigkeit und legt es zur Vertheilung in die Hände Seiner Apostel, − Er nimmt die Fische und legt sie gleichfalls in die Hände Seiner Jünger nieder. Seine Armenpfleger sind also dieselben, die Ihm auch predigen und taufen halfen. Die irdischen Gaben, die Er austheilen will, schafft Er Selbst herzu; alles aber gibt Er den Dürftigen durch dieselben Hände, durch welche Er die geistlichen Segnungen reicht. So sehen wir also hier schon das Amt, das den Geist gibt, vereinigt mit dem Amte, welches irdische Gaben darreicht. Das Brot der Seele und das Brot des Leibes geht durch dieselben Hände. Und so blieb es auch, nachdem Er aufgefahren, der Geist ausgegoßen und eine Gemeine gesammelt war. Wer hat die freiwilligen Gaben der Gemeine von Jerusalem, welche mit so großer Aufopferung gegeben wurden, in Empfang genommen? Dieselben Männer, die wir hier in der Wüste zu Tische dienen sahen, thatens auch, nachdem sie durch die reiche Begabung des heiligen Geistes Väter der Kirche geworden waren. Sie dienten zu Tische, sie gaben den Armen und Wittwen aus dem gemeinsamen Schatze aller Glieder der ersten Gemeine ihre Nothdurft. Und auch als aus dem Apostolate die andern Aemter wie Zweige hervorzuwachsen anfiengen, als die Apostel − wie einst Mose − nothgedrungen ihre Geschäfte auf andere übertragen mußten, als sie das Amt der heiligen Diaconen oder Armenpfleger stifteten, war doch auch dies Amt nach ihrer Meinung nichts anderes, als ein Amt der Kirche und wurde von den Aposteln unter Handauflegung eingesegnet. Das Amt der Diaconen ist von dem der Presbyter oder Aeltesten verschieden; aber beide gehörten der Kirche, beide mußten von heiligen, mit geistlichen Gaben gesegneten Personen verwaltet werden, beide wuchsen aus der Machtvollkommenheit des ersten Amtes, des Apostolats hervor. Das ist, meine theuren Brüder, nicht unwichtig. Armenpflege und Seelenpflege sind beide geistlich. Die Leiber der Armen und die Seelen aller stehen unter besondern heiligen Aemtern. Gleichwie die Seelen nicht weltgesinnten Männern anvertraut werden, so auch nicht die Leiber der Armen. Alle Leiber sollen Heiligtum sein denen, welche sie tragen; die Leiber der Armen genießen besondere Obsorge und Pflege durch das kirchliche Amt der Diaconie. Wohl den Armen, für welche die Kirche sorgt, die unter heiligen Diaconen leben, kranken, genesen und sterben! Wohl den Zeiten, wo es Diaconen, vom HErrn gesetzte Armenfreunde gab; Armenpflege der Kirche ist vom Geiste freiwilliger, lauterer, himmlischer Liebe getragen; sie geschieht im Namen des HErrn; da steht immer Er an der Spitze, und wie die Apostel in der Wüste, so schauen die Augen aller Diaconen auf die Hände des HErrn, ihr gesammter Dienst ist eben so Ihm, dem hochgelobten Haupte, wie den Armen gethan. Da ist − alles Menschliche zugegeben, welches eintreten kann, doch jeden Falls zu vermuthen, daß nicht der Geiz, sondern milde Liebe und barmherzige Fürsorge den

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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 049. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/388&oldid=- (Version vom 17.7.2016)