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über den Jordan und zerstreuten sich in der fernen Wüste gen Arabien hin, um bis zum Beginne der Passionswoche wieder zu ihren Zellen zurückzukehren. Zosimus gieng mit ihnen und drang von Tag zu Tag mehr in die Wüste hinein, in der Hoffnung, irgendwo einen Einsiedler zu finden, dessen Weisheit und hohe Stufe der Vollendung ihn für alle das Ungemach der Hitze und des Weges entschädigen könnte. Als er nun am Mittag des zwanzigsten Tages nach seinem Aufbruch vom Kloster seiner Brüder sich niederließ, um zu ruhen und Psalmen zu beten, erblickte er eine von den Strahlen der heißen Sonne geschwärzte menschliche Gestalt mit kurzen, völlig weißen Haaren. Anfangs erschrocken, als begegnete ihm etwas Ungeheueres, faßte er sich bald, und eilte der entfliehenden Gestalt nach, die ihm jedoch eher nicht Stand hielt, als bis er ihr seinen Mantel umgeworfen hatte, denn sie war ein altes Weib und unbekleidet. Jetzt erst gab es ein Gespräch, und die beiden konnten mit einander beten. Hierauf beschwor Zosimus die Seltsame, daß sie ihm sagte, wer sie sei, wie und wie lange sie da in dieser Einöde schon gelebt habe. Darauf erzählte denn die Alte unter Ausdrücken der Scham und Buße, sie sei

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Wilhelm Löhe: Rosen-Monate heiliger Frauen. S. G. Liesching, Stuttgart 1860, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Rosen-Monate_heiliger_Frauen.pdf/132&oldid=- (Version vom 9.10.2016)