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wie die Franziskanermönche herumgehen und ihre Nothdurft betteln, und doch herbe Tage des Mangels eintreten konnten, wenn die armen Klosterjungfrauen rein der Erinnerung freiwilliger Christenliebe überlaßen blieben. Aber auch davon mochte Clara mit den Ihrigen nichts wißen; im Gegentheil reichte sie hernach bei Innocenz IV. eine Bitte ein, ihren Orden bei dem besonderen Vorrechte der evangelischen Armuth allezeit zu schützen. Kann man nun auch gleich die strenge Entsagung, da sie von Gott nicht erfordert, sondern selbsterwählt war, so hoch nicht anschlagen, wie das Mittelalter und heutzutage noch die römische Kirche: so muß man doch gestehen, daß eine bedeutende Kraft der Seele dazu gehört, ein solches Leben durchzuführen bis ans Ende, und daß noch mehr dazu gehört, um ein solches Leben für Glück zu achten und dabei ein gesalbtes Angesicht der Welt entgegen zu tragen. Die so etwas beurtheilen oder gar verurtheilen wollen, sollten zu allererst wenigstens lernen, in gleichem Frieden und mit gleicher Freude, wie Clara und die Ihrigen, die nicht selbsterwählten, sondern von Gott auferlegten Entbehrungen und Leiden des Lebens zu tragen. – Clara wurde bei diesem Leben 60 Jahre

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Wilhelm Löhe: Rosen-Monate heiliger Frauen. S. G. Liesching, Stuttgart 1860, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Rosen-Monate_heiliger_Frauen.pdf/266&oldid=- (Version vom 9.10.2016)