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den Verdacht beizubringen, daß seine Gemahlin mit seinem Großkanzler Liutward, Bischof von Vercelli, in ehebrecherischem Umgang lebe. Vergebens erbot sich die Kaiserin, ihre Unschuld, ja Jungfrauschaft in der Feuerprobe, oder durch ein anderes Gottesurtheil zu beweisen; vergebens bestand sie die Probe, nicht wißen wir, welche, obwohl die Sache selbst im allgemeinen von jedermann in jenen Zeiten anerkannt wurde: der blödsinnige Kaiser verstieß die unschuldige Richardis. – In diesem, ihrem Unglück erwies sie sich würdig, ja groß. Sie konnte allen Glanz ihrer Vergangenheit vergeßen und widmete sich in der von ihr gestifteten Abtei zu Andlau einem Leben der Andacht und der Aufopferung für andere. Der Gram erstarb in ihr, und ihr gutes Gewißen machte ihr’s leicht, zu innerer Stille zu gelangen und ihr Herz den Freuden der Gottseligkeit zu öffnen. Unter Gebet und Lesen, Uebungen der Andacht und der Wohlthätigkeit, ja auch schriftstellerischen und poetischen Arbeiten lernte sie dem HErrn danken, der sie aus sturmbewegter Fahrt in einen stillen Hafen des Glückes gebracht hatte. In etlichen bis auf uns gekommenen Versen, von denen man versichert, sie seien wirklich aus ihrer eigenen Hand, besingt sie selbst ihr Glück.

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Wilhelm Löhe: Rosen-Monate heiliger Frauen. S. G. Liesching, Stuttgart 1860, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Rosen-Monate_heiliger_Frauen.pdf/294&oldid=- (Version vom 9.10.2016)