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um Deßen willen ihr, die sich den jungfräulichen Stand erlesen hatte, gerade damit die allerempfindlichste Beschimpfung geschehen war. Man brachte sie mitten unter die wilden Thiere, unter Leoparden, Tiger und Löwen: mit einer Ungeduld, von der wir nichts wißen, die wir nicht faßen, die wir eher zu tadeln als zu loben geneigt sind, wartete sie auf den Augenblick, in welchem durch den Rachen und die Klauen der Bestien, deren Gebrüll den Schrecken der Anwesenden erregte, ihrer Seele die offene Pforte gemacht würde, durch welche sie zu Christo entfliehen könnte. Allein die brüllenden Thiere legten sich vor ihr nieder, leckten sanftmüthig ihre Füße und konnten durch keine Reizung dahingebracht werden, sich an der heiligen Jüngerin Jesu zu vergreifen. Man wollte sie verbrennen, aber die Flammen thaten ihr so wenig Leid, als die wilden Thiere; sie hätten sie, berichtet die alte Zeit, gleich kühlen Lüften angeweht, ein Regen habe sie ausgelöscht. Auch anderer Wunder viele, welche der HErr zu ihrer Rettung aus Gefahren gewirkt habe, werden erzählt, ohne daß wir zu unterscheiden vermögen, in welche Zeit des Lebens Thekla’s ein jedes gehört, oder an welchem Orte sie dies oder jenes zu leiden hatte.

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Wilhelm Löhe: Rosen-Monate heiliger Frauen. S. G. Liesching, Stuttgart 1860, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Rosen-Monate_heiliger_Frauen.pdf/301&oldid=- (Version vom 9.10.2016)