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drückte ein bleiernes Siegel darauf, wie auf eine Grabesthür. Nach drei Jahren besuchte Paphnutius den heiligen Einsiedler Antonius, um mit ihm zu berathen, ob Thais nun genug gebüßt hätte? Beide nahmen noch einen dritten, Paulus den Einfältigen, dazu, der denn auch wirklich eine Gewisheit und Zuversicht erlangte, den Ausschlag zu geben, und die andern zu überzeugen, daß Gott der Büßerin einen Platz in seinem Himmel bereitet habe. Da löste nun Paphnutius das Siegel und verkündigte der Armen, daß ihre Bußzeit vorüber sei, daß sie mit den übrigen Schwestern leben und zu Gottes Tische gehen dürfe. Bis dahin hatte Thais nur gebetet, was ihr Paphnutius gesagt hatte, und in dem Gebete eine Fülle bußfertiger, aber auch tröstlicher Gedanken gefunden. Sie versicherte, daß sie in den drei Jahren nicht aufgehört hätte, ihre Sünden zu beweinen, und daß ihr auch jetzt noch kein Gefühl lebendiger einwohnte, als ihre Verwerflichkeit und Unwürdigkeit. Sie wollte daher auch nicht aus ihrer Zelle gehen, nicht unter die übrigen Klosterfrauen treten, sondern lebenslänglich eingeschloßen bleiben und immerzu ihre Sünden beweinen. Paphnutius aber verkündigte ihr Gnade, und sie mußte nun, aus

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Wilhelm Löhe: Rosen-Monate heiliger Frauen. S. G. Liesching, Stuttgart 1860, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Rosen-Monate_heiliger_Frauen.pdf/322&oldid=- (Version vom 9.10.2016)