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ehrwürdiges Vorbild für andere aufgestellt werden kann. Auch ihre Heiligung trägt allerdings nicht das Gepräge unserer Zeit, sie erscheint in einem mittelalterlichen Gewande und in den Formen der römischen Kirche. Daß sie, die mächtige Gebieterin, welche nicht blos auf ihren Eheherrn den bestimmtesten Einfluß hatte, sondern durch ihren Zuspruch kriegsgerüstete Könige und Herren zum Frieden bewegen konnte, im armen Gewande einhergieng, ihren Leib geißelte und peinigte, nicht bloß fastete, – niemals im Bette schlief, sondern auf dem Erdboden, und dergleichen Dinge, wird unter uns kaum auf jemand einen zur Nachahmung reizenden Eindruck machen. Es wird nicht an solchen fehlen, für welche Hedwig schon deshalb umsonst gelebt hat, und die sie deshalb, so zu sagen, nicht einmal würdigen, sie genauer anzusehen und die wahren Spuren der Wirkung des heiligen Geistes bei ihr zu suchen. Am allermeisten wird es ihr bei Leuten der zuletzt bezeichneten Art zum üblen Urtheil und zum Schaden gereichen, daß sie nicht bloß viele Klöster stiftete, sondern die Klosterfrauen sehr hoch hielt, und von Bettlern die Brosamen, welche sie an Klosterpforten empfangen hatten, kaufte und selbst verspeiste, ja gar selbst mit Bewilligung

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Wilhelm Löhe: Rosen-Monate heiliger Frauen. S. G. Liesching, Stuttgart 1860, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Rosen-Monate_heiliger_Frauen.pdf/341&oldid=- (Version vom 9.10.2016)