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der Gerechtigkeit durch ihre Fürbitte auf, um den Sündern Gnadenfrist zu erstrecken. Oft ließ sie statt von Richtern, von Geistlichen das Urtheil sprechen, damit es milder ausfallen möchte. Sie wollte die Unterthanen nicht durch hohe Abgaben beschwert haben, sondern zahlte oft aus eigenem Beutel die ihnen aufgelegten Geldbußen. Sie besucht die Wöchnerinnen und versorgt sie, und während sie den eigenen Leib vernachläßigt, erwirkt sie, daß die Gefangenen immer frische Linnen bekommen, und Licht in ihre Kerker Zugang finde. Sie, die in freiwilliger Armuth lebt, ermuntert zu den kostbaren Stickereien der Frauenklöster, um die Gottesdienste auch auf diese Weise zu verherrlichen. Sie ist aber auch so voll Eifers, die Erkenntnis Christi zu verbreiten, daß sie selbst mühevoll Hand anlegt. So findet man sie eine Zeit lang bemüht, ein altes Weib zu lehren. Weil diese, über und über vernachläßigt, wie sie war, auch das heilige Vaterunser nicht merken konnte, so muß ihr das Bette neben der Herzogin gemacht werden, und sie unterbricht des Nachts vielfach den eigenen Schlaf, um der Alten die heiligen Worte auch im Schlafe ins Ohr zu sagen. Das alles ist freilich ungewöhnlich, wer sollte aber nicht erkennen,

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Wilhelm Löhe: Rosen-Monate heiliger Frauen. S. G. Liesching, Stuttgart 1860, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Rosen-Monate_heiliger_Frauen.pdf/343&oldid=- (Version vom 9.10.2016)