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daß es die Aeußerung eines gottverlobten Gemüthes ist.

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 Hedwig war kein schwaches Weib, sie hatte keine verweichlichte Seele. Sie wußte in den großen Fragen ihrer Verhältnisse sich zu entscheiden: wenn sich ihre Söhne im blutigen Zwist einander gegenüber stellen, der eine die slavische, der andere die deutsche Nationalität vertritt, der von ihr geliebte Gemahl ins Lager des ersteren geht, so geht sie, die deutsche und deutschgesinnte Mutter, ins Lager des anderen. Bei aller Macht des Willens und der Entschlüße aber ist sie eine sanfte Herrin, die ihre Diener nie schilt, nicht zornig anläßt. „Warum hast du das gethan? Möge dir der HErr vergeben,“ das ist ihre Correction. Dabei ist sie für sich selbst eines freieren Geistes. Indem sie einem jeden die möglichste Weitschaft läßt, die Selbstbeschränkung achtet, Nonnen und Mönche übermäßig ehrt, ihnen nicht blos die Hände, sondern die Stühle küßt, selbst in einem Kloster klösterlich lebt, und zwar mehr als alle Nonnen; wahrt sie sich doch ihre Freiheit und will durch die klösterliche Zucht nicht gebunden und verhindert sein, auszugehen, wohin es ihr gut ist, wohin es ihre Regenten- oder Christenpflicht gebietet. So sehr

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Wilhelm Löhe: Rosen-Monate heiliger Frauen. S. G. Liesching, Stuttgart 1860, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Rosen-Monate_heiliger_Frauen.pdf/344&oldid=- (Version vom 9.10.2016)