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suchte sie überall, fand sie nirgends, kam aber zuweilen um Trost zu suchen, auch zu dem Abte des Klosters, in welchem Euphrosyna lebte, und der Abt wußte nichts beßeres zu thun, als ihn um Trost zu dem jungen Bruder Smaragdus zu weisen, welcher voll Geistes und Lebens war. Welch eine Aufgabe für die Tochter, die ihren Vater bei der ersten Begegnung erkannte, und was für eine Tochter, die den gebeugten Vater oftmals sehen und statt sich ihm zu erkennen zu geben, ihn trösten und den vereinsamten Mann fortan durch ihre Worte auf der traurigen Bahn seiner verlaßenen alten Tage leiten konnte! Er solle, wiederholte sie ihm unter anderem, unter keiner Bedingung die Hoffnung aufgeben, seine Tochter noch einmal im Leben wieder zu finden. So lebte sie denn unter Handarbeiten, Werken der Abtödung und Uebungen der Gottseligkeit, in jeweiligem Umgange mit ihrem Vater, der sie nicht erkannte, acht und dreißig Jahre im Kloster dahin, bis ihr Todestag kam. Da gab sie sich ihrem Vater zu erkennen und starb in seinen Armen ungefähr im Jahre 470 nach Christo dem HErrn. Ihr Vater lebte von da an in der Zelle seiner Tochter, bis auch er nach zehn Tagen heimgieng. Wahrlich, wenn man Euphrosynen die

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Wilhelm Löhe: Rosen-Monate heiliger Frauen. S. G. Liesching, Stuttgart 1860, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Rosen-Monate_heiliger_Frauen.pdf/66&oldid=- (Version vom 2.10.2016)