Seite:Wilhelm Löhe - Sieben Vorträge über die Worte JEsu Christi vom Kreuze.pdf/142

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

was ihn den Sündern ähnlich macht, und jeder Gedanke als ein verdammter zurückgescheucht werden, durch welchen nur die Möglichkeit aufgestellt würde, als könnte Er sich irgend unter den Sündern finden. Man könnte daher auch sagen: Wenn Er Seine Seele in des Vaters Hände gegeben hat, sie also zuvor von dem Leibe abgeschieden, so hat Er es doch nicht eher gethan, als in dem Augenblicke, in welchem der Tod ohnehin bevorstand; er hat dem Tode die Macht gleichsam aus der Hand genommen und Seinen Tod selbst vollzogen. Aber wozu diese übergroße Vorsicht, bei der man überdies vielleicht mehr sagt, als man weiß. Hier ist kein Gleichnis mit andern Menschen, auch keine Nachfolge zu fürchten, weil keine möglich ist. Der HErr ist Hoherpriester und Opfer zugleich; Sein Opfer und Seine Aufopferung aber ist nicht bloß eine innerliche, sich durch keine äußere That kund gebende, sondern im Gegentheil, Er hat sich wahrhaftig im heiligen Geiste Gott geopfert, nicht bloß betend, sondern eben sterbend, indem Er Leib und Seele löste, den Leib auf Erden ließ, die Seele in Seines Vaters Hände übergab. Sein Tod ist ein Opfertod, und daß er das ist, stellt den HErrn nicht in die Reihe der Sünder, sondern macht ihn eben zum Lamm Gottes, das der Welt Sünden trug, das in Zeit und Ewigkeit von allen Auserwählten gerühmt und gepriesen wird. Nicht Tadel ist zu fürchten, sondern Ruhm und Preis und Ehre ist zu geben dem Lamme, das von den Juden erwürgt wird, die keine priesterlichen Hände haben, das aber mitten in die Sündennacht Seiner Mörder hineintrat, und während sie die größte aller Sünden thaten, selbst die höchste That aller Gottes- und Menschenliebe vollzog, nemlich sich Gott zum Opfer brachte,