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und blinder Geist, ich weiß aus welcher Ursach und zu welcher Absicht Du verlaßen worden bist. Was Dir zu meiner Seligkeit verhüllt wurde, damit Du ganz mein Erlöser würdest, das ist mir von Jugend auf gepredigt und gesagt. Die Ursach Deiner Gottverlaßenheit bin ich, ich verlorner, verdammter Sünder, und die Absicht aller Deiner Qualen bin wieder ich, ich von Dir gefundenes und gesuchtes Schaf. Weil ich meinen HErrn und Gott verließ, ich Sünder, hat Dich, Du heiliger göttlicher Erlöser, Du reiner Hoherpriester, Dein Gott verlaßen; ich habs verdient, und damit es mir nicht zu Theil würde, ist es Dir zu Theil geworden. So liegt Dein „warum,“ ein Wort, das mit seinen Gottestiefen, seinen Menschentiefen und seinen Satanstiefen aller Forschung spottet, dennoch vor meinem Auge in so weit klar, daß ich Dir zu Füßen fallen und Dir zurufen kann: Warum, HErr, warum willst Du wißen? Ich sags mit tausend Reue und Dank, ach laß michs nie vergeßen, am wenigsten, wenn ichs am meisten bedarf: Meinet-, meinet-, meinetwegen und um aller meiner Brüder willen bist Du verlaßen worden und Deine Absicht, welche Dir in Schatten und Dunkel zurücktrat, die Du Selbst gehabt hast, wie Du in diesen Kampf gegangen, die Du auch erreicht hast, war mein und meiner Brüder ewiges Heil, und unsere Aufnahme in die ewige Gemeinschaft des Dreieinigen und Seiner heiligen Engel.

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 Da stehe ich nun im Geist vor Deinem Kreuze, rühme und preise Deine Absicht und Dein Leiden, und gebe Dir mit meinen Brüdern Preis und Ehre und Dank, Lobgesang und Opfer für alles, was Du gelitten, insonderheit für das große unbegreifliche Leiden Deiner Gottverlaßenheit, über welche Du geklagt hast.