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Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242

des Wolfs bedienen soll.[1] Bei den Römern dagegen schwebte nach der Sage die Göttin Hekate, als Vorsteherin des Schattenreichs und Geisterkönigin, mit Scharen von Verstorbenen durch die Lüfte.[2] Die alte Streitfrage, ob für den Wahn der Hexenfahrten die germanische oder die römische Mythologie als Grundlage anzunehmen ist, wird mit Bestimmtheit wohl niemals zu schlichten sein. „Dies“, sagt Roskoff[3] treffend, „nicht nur wegen der Ähnlichkeit der Züge auf beiden Seiten, sondern auch, weil die Scheidelinie durch das Hin- und Herfluten der Erinnerungen auf beiden Welten, der germanischen und altklassischen, ins Schwanken gebracht und von denn Wellen überspült, kaum zu erkennen sein dürfte“.

Eine am Rhein in der ältesten Zeit gebräuchlich gewesene Wasserprobe[4] steht mit dem Aberglauben und dem Zauberwesen in Verbindung. Der Vater Rhein galt nämlich ehemals in gewissem Sinne als Strafrichter bei unerlaubten Liebesverhältnissen. Überliess man ihm die Entscheidung über Leben und Tod von Kindern, deren Abstammung zweifelhaft schien, so begrub er uneheliche in seinen Wellen, während er eheliche in die Hände der Mutter zurückgab.


II.
Die Zeit von 300–1200 n. Chr.

Zu Beginn des 4. Jahrhunderts war auch am Niederrhein der Sieg des Christentums, in dessen Lehre das Dogma vom persönlichen Teufel, dem Hauptwidersacher des Himmelreichs und Fürsten dieser Welt, mit an erster Stelle steht, endgültig entschieden. Dem Christentum fiel die Aufgabe zu, den Kampf mit dem heidnischen Aberglauben in dreifacher Gestalt aufzunehmen.[5] Es musste den heidnischen Opferkultus, die Magie, die Orakel und alle Arten der Wahrsagerei (divinatio) bekämpfen oder verbieten. Hierbei leisteten die christlichen Kaiser und Fürsten thatkräftige Unterstützung. Die von kirchlicher und weltlicher Seite bis zum Schluss der Karolingerzeit


  1. K. Simrock, Deutsche Mythologie. Bonn 1878, S. 473.
  2. A. Forbiger a. a. O. Bd. II, S. 210.
  3. G. Roskoff, Geschichte des Teufels. Leipzig 1879, Bd. II, S. 211.
  4. Mehrere Belegstellen für diese Sitte bei A. Riese a. a. O. S. 394.
  5. J. Diefenbach, Der Hexenwahn. Mainz 1886, S. 196.
Empfohlene Zitierweise:
Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242. Düsseldorf: Ed. Lintz, 1898, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zauberwesen_und_Hexenwahn_am_Niederrhein.djvu/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)