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Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242

in Gewahrsam brachte, wie dies auch den Bestimmungen der 33 Jahre später erlassenen Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. entspricht.[1] Ferner fällt es auf, dass der Wahrsager Steinbrecher trotz der vielen gegen Wahrsagerei längst erlassenen Bestimmungen sogar als Sachverständiger zugezogen wurde. Und endlich liegt hier einer der wenigen Fälle vor, in denen das Darreichen eines narkotischen Tranks zur Erzielung eines Bekenntnisses urkundlich verbürgt ist.

Von einem solchen Getränk sprechen J. Weyer und Fr. von Spee.[2] Entrüstet fragt Weyer, wie es um die Wahrheit eines Bekenntnisses stehe, das nach dem Genuss eines trunken oder wahnsinnig machenden Getränkes abgelegt worden sei? Spee kennt zwar nicht die Art des Tranks, durch welchen man den Zauber des Schweigens, das sog. maleficium taciturnitatis, brechen wolle, weiss aber, dass nach seiner Anwendung die Angeklagten ihrer eigenen Angabe nach vollständig geistesverwirrt geworden waren. Der Gedanke an narkotische Getränke liegt auch bei einer bemerkenswerten Stelle in den Kölner Regiminal-Protokollen[3] sehr nahe. Im Dezember 1629 wurde nämlich den kurkölnischen Räten gemeldet, dass „in puncto veneficii“ zu Bleisheim einige Malefiz-Personen unter der Tortur stumm blieben oder phantasierten (obmutescierten und dementierten), gleichsam als wenn sie im Schlafe seien“. Die Räte empfahlen die Inanspruchnahme frommer, in der Nähe befindlicher Pastores und Priester, sowie den Exorcismus. Jedenfalls lag also ein seltener, ihnen unerklärlicher Fall vor. F. v. Spee hält es ebenfalls für ziemlich unmöglich,[4] dass man während der Folterung einschlafen könne, doch ist ein solches Einschlafen höchst vereinzelt auch anderweitig nachweisbar.[5] Wenn, wie im Bleisheimer Falle einige Angeklagte während der Folterung wie Schlafende schwiegen oder phantasierten, so hatte wohl ein vom Henker ihnen gereichtes


  1. § 14 der Carolina; auch übergegangen in die oben erwähnte Gerichtsordnung des Kölner Coadjutors Ferdinand vom 24. Juli 1607.
  2. J. Wieri, Opera omnia. Amstelodami 1660, p. 482 et 729; Fr. v. Spee, Caut. crimin. p. 191. Weyer geht auf die Art des Narkoticums an diesen Stellen nicht ein; ziemlich unzweifelhaft handelt es sich um das Gift der Tollkirsche (Belladonna.) Vgl. K. Binz a. a. O. S. 36.
  3. Bleisheim 1629, Dezember 17.
  4. Cautio crimin. p. 188: Aiunt quosdam obmutescere et obdormiscere … Obmutescere quidem possunt, sed obdormiscere non credo, ni iurati testes affirment.
  5. O. Snell a. a. O. S. 99.
Empfohlene Zitierweise:
Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242. Düsseldorf: Ed. Lintz, 1898, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zauberwesen_und_Hexenwahn_am_Niederrhein.djvu/79&oldid=- (Version vom 1.8.2018)