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Christoph Ritter von Gluck.
Geb. d. 14. Febr. 1714, gest. d. 13. Nov. 1787.


Unter den Sternen am Himmel der deutschen Tonkunst einer der strahlendsten, unter den deutschen Meistern der Tondichtung einer der unerreichten – vielleicht kaum erreichbaren. Der unbedeutende Ort Weidengen in der Oberpfalz ließ Gluck das Licht der Welt erblicken, der böhmischen Grenze nah, und der musikalische Genius, der über Böhmens Bergen schwebt, küßte dem Knaben den Kuß der Weihe. Frühzeitig der Musik mit vollem Seelenantheil sich zuwendend, kam Gluck nach Prag, bildete dort sich aus und reiste im Jahr 1738 nach dem klangreichen Italien, fand in Mailand bei dem Prinzen Melzi zuerst eine feste Stellung und entfaltete nun mehr und mehr die mächtigen Schwingen seines Genius. Es genügte Gluck nicht, auf die höchste Stufe der Opernschöpfung zu treten, wie letztere damals war, er wollte neue Bahnen brechen in seiner Kunst, das veraltete beseitigen, den Schlendrian und schnöden Klingklang bannen; der vollste musikalische Ausdruck der Gedanken und Gefühle und die reinste Wahrheit waren die Endziele seines kräftigen Strebens. Die erste Oper, mit welcher Gluck vor das Publikum trat und es entzückte, war Artaxerxes, schon ein Werk voll Mannesreife, den Text begreifend und richtig würdigend, nicht ihn unterordnend und nicht, wie so viele Tondichter thun, ihn als den todten Leichnam betrachtend, dem sie erst Leben und Seele einhauchen, indem sie ihn mit der möglichsten Willkühr mißhandeln und verstümmeln oder durch endlose selbstgefällige Wiederholungen ihn ausspinnen und dehnen. Alles, was bisher für ansprechend und schön gegolten hatte, die wälschen Schnörkel und unnützes Beiwerk, verwarf Gluck und gründete sich dauernden Ruhm auch durch seine folgenden Opern: Demetrius, der Sturz der Giganten, zuerst 1745 in London zur Aufführung gebracht, dann Orpheus, Alzeste, Armida. Kopenhagen, Wien und Paris sahen nun nacheinander den großen Tonkünstler in ihren Mauern, und in letzter Stadt kam Glucks unsterbliche Iphigenie in Aulis, Text von dem französischen Dichter Bailli de Rouet zur Aufführung, alle Herzen entzückend, obschon der Aufführung Anfangs große Schwierigkeiten entgegengethürmt