Seite:Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen.pdf/278

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Gneisenau an seine Stelle beordert. Gneisenau und Nettelbeck, der Graf und der Bürger, ein Dioscurenpaar des ewigen Nachruhms! Vereint retteten sie Colberg, erhielten Stadt und Festung ihrem Könige.

Nettelbeck, kein Jüngling mehr, sondern bereits ein Greis von fast 70 Jahren, durch dessen Adern aber noch Jünglingsfeuer fluthete, stand als Bürgeradjutant dem tapfern Commandanten zur Seite, thätig und hülfreich nach jeder Richtung hin; da Zagende ermuthigend, dort Weinende tröstend, die Kämpfer befeuernd, die Bürger zur Ausdauer und Hoffnung ermahnend. Bald war er auf den Kriegsschiffen, sie geschickt in den Hafen bugsirend, bald bei den Ausfällen, bald beim Löschen der Brände, die des Feindes Bomben in der schwer bedrängten Stadt entzündet, überall der alte Nettelbeck – wie ein hülfreicher Klabautermann der nordischen Küstensagen. Gut und Blut opferte er freudig hin; wenn die Nahrungsmittel ausgingen, Nettelbeck schaffte neue, und wenn den Bürgern der Muth sank, wenn sie unzufrieden mit der langen entsetzlichen Qual einer mit der größten Hartnäckigkeit fortgesetzten Belagerung murrten und zur Uebergabe drängen wollten, da war es immer wieder der alte Nettelbeck, der das Murren zu stillen wußte. Fast aber frommte kein Hoffen mehr, als die Festung selbst in Brand geschossen wurde, und je höher die Flammen stiegen, der Muth um so tiefer sank, dennoch – immer noch keine Uebergabe. Da schlug endlich die Stunde der Erlösung – der Friede zu Tilsit wurde geschlossen, die Waffen ruhten.

Ehre und Anerkennung blieben für den wackern Nettelbeck nicht aus; er empfing zwar keinen Ritterorden, aber doch eine goldene Verdienstmedaille und durfte die Uniform eines königlichen Flotten-Admirals tragen; auch wurde ihm, doch erst von 1817 an – da sein, ohnehin zum größten Theil dem Vaterlande geopfertes Vermögen schwand, ein Gnadengehalt von jährlich 200 – schreibe nur zweihundert Thaler, zu Theil. Königshand und -Huld hätte wol noch eine Null ansetzen dürfen, denn Nettelbeck hatte mehr gethan, als mancher Geheimerath in Berlin. Nettelbeck starb im 86. Lebensjahre und sein Andenken lebt noch heute in dankbarer Erinnerung seiner Vaterstadt und des deutschen Volkes.