Selige Tage, Tage der Jugend

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Textdaten
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Autor: Fritz Wernick
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Titel: Selige Tage, Tage der Jugend
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 29, S. 472–473, 484
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[472–473]

Selige Tage, Tage der Jugend.
Nach dem Oelgemälde von W. Kray.
Photographie im Verlag von Fr. Hanfstängl in München.

[484] Selige Tage, Tage der Jugend. (Mit Illustration S. 472 u. 473.) Gebirge und See, das sind die alten Heimstätten der Romantik, nicht nur für Dichtung und Kunst, auch in der Wirklichkeit. Hoch im Waldgebirge, auf dem blinkenden Spiegel des klaren Wassers weitet sich die Seele, erhebt sich der Sinn, da verliert die Phantasie sich in ein seliges Träumen. Anders aber entfaltet sich alles Sinnesleben in glücklicher Jugendzeit, in jener Frühzeit des Lebens, in der selbst ernstere Herzensempfindungen noch ruhen oder höchstens als unbestimmtes Sehnen das Gemüth durchziehen. Und anders wieder genießt man die seligen Tage der Jugend im ernsten, kalten Norden, anders in dem Zauberlande südlich der Alpen, wo der Sinn freier, das Leben leichter und fröhlicher, wo das ganze Volk ein kindlicheres ist, das in frohem Behagen dahinlebt.

Wenn der Abend seine schrägen Lichtstreifen über den See am Südfuße der Alpen wirft, wenn eine Fülle goldigen Sonnenglanzes durch die Landschaft fluthet, die Hitze vom sanften Abendwinde gemildert wird und allmählich die kräftigen Farbentöne in sanftes Stahlblau übergehen, dann wandelt die Schar junger, eben aufblühender Mädchen hinab durch die schattigen Gänge des Parks dem Gestade zu. Von den blühenden Oleanderbäumen. dem Rosenstrauch und purpurnen Granaten raffen die lieblichen Geschöpfe Blüthenmassen zusammen, die Guitarre wird nicht vergessen, wenn sie den an der Anlände befestigten Nachen lösen und sich hinaustreiben lassen in die Kühlung aushauchende Fluth. Die Ruder werden kaum bewegt, gilt es doch nicht der Erreichung eines Zieles, sondern nur dem wohligen Genießen des herrlichen Abends in großartiger Natur.

Die Gespielinnen lauschen dem Vortrage eines Gedichtes, dem Gesang eines jener entzückenden Volkslieder, mehr aber als dieser gelegentlichen Unterhaltung geben sie sich dem beseligenden Gefühle ihres Jugendglückes, jenem süßen träumerischen Nichtsthun hin, das so nur die sorgen- und pflichtenlose Jugend genießt. Unbenutzt liegt die Laute im Nachen, man achtet nicht der Blumen, die hinab ins Wasser fallen, die Ruder entgleiten den zarten Händen: das ist ein Stück jener echten, wahren Romantik, wie sie nur der glücklichen Jugend beschieden wird.

Tiefer senken sich die Schatten, immer weiter treibt der Nachen in die Fluth hinaus, Einsamkeit und Stille umgeben die glücklichen Kinder, die weltvergessen in Seligkeit schwelgen. Mag man daheim sich sorgen, auf die Rückkehr warten, ihnen schlägt keine Stunde, sie denken an keine Gefahr, denn das wissen sie ja, das gütige Geschick schirmt die glückliche Jugend. Wenn die silberne Mondsichel über den Alpenketten hinaufsteigt, hat ja ein leichter Ruderschlag sie wieder an die Landebrücke des Parkes geführt, der berauschende Duft der Blüthenmassen strömt ihnen entgegen, Lichter erglänzen in der Halle, die jugendliche Romantik hört auf, aber nicht das Glück, das der Jugend treu bleibt in der Einsamkeit auf dem stillen See, wie im schimmernden Festsaale; selige Tage, scheinbar ohne Ende und doch so vergänglich! Fritz Wernick.