Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Geisterspuk in und bei der Ruhl

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Hüthchen unterm Wackelstein Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Spukende Mönche und weiße Jungfrauen
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[222]
118.
Geisterspuk in und bei der Ruhl.

Zu Ruhla hat einmal ein Pfarrer gelebt, der hieß Feuchter, von dem geht mehr als eine Spuksage. Seine Frau, die er sehr liebte, starb ihm, und er that den Schwur bei ihrer Leiche: Wenn ich je eine Andere heirathe, so will ich das Reich Gottes nicht schauen. Solcher Schwüre haben schon mehrere Männer gethan, und doch wieder geheirathet, und der Pfarrer Feuchter heirathete auch wieder. Er war aber noch gar nicht lange zum zweitenmale verheirathet, als er starb, und gleich nach seinem Tode begann er gräulich zu spuken, denn er konnte nicht zum Frieden des Reiches Gottes kommen. Da ließ seine Wittwe Jesuiten kommen, welchen die Sage insgemein das Amt der Pöpels- oder Popanzträger beilegt; die zitirten den Geist in der Kirche im Beisein seiner Wittwe, die ihn dreimal bei seinem Taufnamen rufen [223] mußte. Sehr zornig erschien er, und weigerte sich entschieden, in den Sack zu kriechen, darinnen er fortgetragen werden sollte. Endlich ließ er sich durch die Macht des Exorcismus willig finden, und bot seiner Frau die Hand zum Abschiede. Diese war aber gewarnt und schlug nicht ein, sie hielt ihm blos ihr Sacktuch hin, das lohte alsbald in hellen Flammen auf. Nun trugen ihn die Pöpelsträger im Sacke von dannen, und bannten ihn in die Gallert, ein Thal, das nach Etterwinden zu liegt. Dort spukte er schrecklich umher, hielt den Schubkärrnern die Schubkarren auf, wenn es bergan ging, und schob daran, wenn es bergab ging; theilte mit unsichtbarer Hand Maulschellen aus, und trieb es so arg, daß die Teufelsbanner nochmals kommen mußten. Da schrie der Geist einen derselben an: Pfaff, Du willst mich bannen! Hast Du nicht heute erst aus einem Acker eine gelbe Rübe gestohlen, und sie gefressen? – Schweige, Du böser Geist! rief der Jesuit. Wol habe ich aus jenem Acker eine gelbe Rübe gestohlen, meinen Hunger zu stillen – aber ich habe dafür einen Groschen in das Loch geworfen. Und nun wurde Feuchters Geist zum andern male gebannt, manche sagen in das alte Liebensteiner Schloß, andere nennen das „finstere Loch“ unterm Hohebruch hinter Wilhelmsthal, und noch andre den Schilderstein oder Schillkopf in derselben Gegend.

Am Reifsteig wird bisweilen ein sehr großer Mann erblickt, der ein Gesicht hat wie Flor. Er neckt und schreckt die Wanderer, wenn sie auf das dort wachsende Irrkraut getreten haben. – Am Häsel, einem Theile des Kirchberges, hält ein gespenstiger Schulmeister mit Kindern Schule, auch begleitet er gespenstige Leichenzüge, und man [224] hört von trauervollen Stimmen das Lied singen: „Ein Würmlein bin ich, arm und klein,“ etc. Auch liegt am Reifsteig eine große Waldwiese, „die Reifsteigshalde.“ Von dieser geht die Sage, daß man sie an einem gewissen Tage nicht finden könne.

Am Rittersberge, beim Gehöft Hucheroda, nahe bei Thal reitet ein spukender geharnischter Ritter auf einem kohlschwarzen Rappen. Eine Gasse in der Ruhl selbst heißt noch die Rittersgasse, dort quillt auch der „Rittersborn“ – ein Ritter soll an demselben erschlagen worden sein, und noch umgehen. (Siehe Sage 119.) Ebenso läßt sich bisweilen ein Reiter ohne Kopf blicken, der mit wildem Spuklärm die Straße auf und ab trabt.