Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Themars Kriegsschrecken

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Die Trompeters-Eiche Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Hennebergische Neckelust
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34.
Themars Kriegsschrecken.

Die kleine Stadt Themar im Werrathale ist ein sehr alter Ort, der häufig seine Namen im Laufe der Zeit abwandeln lassen mußte. Im Jahre Christi 800 schrieb man es Tagamari, später Theimar, Teymer, Teimer etc. Es unterlag vielfach verheerender Wasser- und Feuersnoth, Kriegs- und andern Drangsalen und gelangte nie zu hohem Flor. Insonderheit war es der dreißigjährige Krieg, der langenachhaltig dem Wohlstand des Städtchens alle Blüthe abbrach. Im Jahre 1632 plünderte das Wallensteinische Heer, später brandschatzte Lamboi, und 1634 wüthete Isolani mit seinen Croaten ganz unmenschlich mit Schwert und Feuer. Von 300 Häusern blieben nur 69 übrig, von 280 wehrhaften Männern oder Familienvätern nur 54. Fast durch ein Wunder entging die schöne, von Gräfin [53] Margaretha von Henneberg erst 1488 völlig neu erbaute und dem h. Bartholomäus geweihte Kirche dem Verderben. Die Sage meldet, Isolani solle selbst mit der Brandfackel in der Hand nach der Kirche geeilt sein, um sie als ein Gotteshaus der Ketzer anzuzünden – da strahlte ihm, strotzend von reicher Vergoldung in reizender Farbenpracht der hohe kunstvolle Flügelschrein des Altars entgegen, in der Mitte die Madonna mit dem Kinde, zu ihrer Rechten der Erzengel Michael, zu ihrer Linken der Schutzheilige und Patron der Kirche, St. Bartholomäus, ein Meisterwerk mittelalterlicher Holzsculptur, und der fanatisch-katholische Isolani löschte alsbald die Fackel, befahl die Kirche zu schonen, und dem Feuer, das die Stadt verzehrte, so viel als möglich Einhalt zu thun, er selbst aber warf sich in gläubiger Andacht vor dem Altar auf die Kniee und betete. So übte hier die überwältigende Macht gläubiger und frommer Kunst in der That ein Wunder und errettete das schöne, auch sonst mit Bilderzier noch reichgeschmückte Gotteshaus.

Damals geschah es, daß eine Familie, wohnend in der Froschgasse, vom Mittagessen, welches in Klößen und Braten, aller Henneberger Lieblings- und National-Sonntagsgericht, bestand, hinwegflüchtete und weit in fremdes Land zog. Nach einem Jahr kehrten sie wieder zurück nach der Heimath und fanden dort ihr Häuschen in der Froschgasse gerade so wieder wie sie es verlassen. Klöße und Braten stand noch auf dem Tisch. Und dieses Häuschen war, nebst der Kirche und nur sehr wenigen Gebäuden im untern Theile der Stadt, das einzige verschont gebliebene in dem ganzen obern Stadttheil.