Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Wie die Wartburg erbaut ward

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Graf Ludwig mit dem Barte Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Der eiserne Landgraf
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[142]
86.
Wie die Wartburg erbaut ward.

Graf Ludwig II. hatte sich nach seines Vaters Tode mit der Tochter des Herzogs Ulrich von Sachsen vermählt, die er aber ob allzugroßer Hoffahrt wieder nach Hause gesendet hatte, und welche bald darauf verstorben war. [143] Darauf faßte er eine heftige Neigung gegen die Gemahlin Friedrichs, Pfalzgrafen zu Sachsen, Adelheid, welche Neigung von ihr erwiedert wurde, worauf es dahin gedieh, daß Graf Ludwig dem Pfalzgrafen erstach, und sich mit dessen Wittwe vermählte. Graf Ludwig mehrete, gleich seinem Vater, mit allen Kräften das Land und baute neue Schlösser und Ortschaften, so auch die Naumburg und das Städtchen Freiburg an der Unstrut. Nun hatte bei Gelegenheit der Weihe und des Tauffestes auf dem Altenberge der Erzbischof von Mainz den Grafen Ludwig mit dem Barte für ihn und seine Erben auch mit dem Lande zur rechten der Werra und vor dem Walde beliehen. Da geschahe es eines Tages, daß Graf Ludwig, der Sohn, im Walde jagte bis an den Metilstein, und auf den Berg kam, darauf jetzt die Wartburg liegt, der behagte ihm aus der Maßen, wohl wegen seiner günstigen Lage, seiner Steilheit und seiner festen Steine, nur war ihm nicht lieb, daß er dem Schlosse Metilstein so nahe lag und in der Herren von Frankenstein Gericht gehörte. Da sann Graf Ludwig Tag und Nacht darauf, wie er den Berg an sich bringen möchte, und ließ heimlich auf seinem Schlosse Schauenburg ein Haus und zwei Bergfriede zimmern, sammelte eine große Schaar von Freunden und schlug auf dem Berge vorn und hinten einen Bergfried auf, und in der Mitte die Behausung. Da sprachen die Herren von Frankenstein auf dem Metilsteine, der Graf nehme ihnen das ihre wider Gott und Recht und Ehre, Graf Ludwig aber antwortete, der Berg gehöre dem Stifte zu Mainz an, und gehöre zum Thüringer Lande, und mit dem Thüringer Lande seien sein Vater und er und alle Erben belehnt worden, das wolle er auch behalten. Da nun [144] von den Frankensteinern Klage geführt ward ob dieses Streites bei Kaiser und Reich, die sich wegen des Kaisers Abwesenheit sehr in die Länge zog, so wurde getheidingt, daß der Graf sein Recht auf den Berg mit zwölf Eideshelfern beschwören solle. Darauf ließ der Graf noch zum Ueberfluß von seiner eigenen Erde aus Eisenach hinauf auf den Berg fahren und droben aufschütten, und auf diese Erde trat er mit seinen zwölf Eideshelfern, steckten ihre Schwerter in die Erde, und schwuren, daß er auf seinem eignen Grund und Boden stehe. Eisenach war damals ein offenes Städtlein zwischen der Hörsel und Nesse, da wo man es jetzt in der alten Stadt nennt, und galt als Grenzstadt des Thüringerlandes gegen das Hessenland. Zu jener Zeit, im Jahre 1067 war große Hungersnoth im Lande Thüringen und Franken, Graf Ludwig hatte aber viel Korn und Hafer zu Sangerhausen gesammelt und aufgeschüttet, und da von allen Orten und Enden her Leute kamen, nur um des Brotes Willen mit am Bau zu helfen, so bauete Graf Ludwig schier ohne Geld, und sprach freudig: „Warte welch ein Berg!“ und davon ist hernach das Schloß Wartberg und Wartburg genannt worden. Zu gleicher Zeit wurde auch Eisenach näher an die Wartburg herangerückt, und mit Mauern gefestet, welche von den Dorfschaften aufgeführt wurden, jedes Dorf baute eine gewisse Zahl von Gerten (Ruthen) lang, wie man noch sieht.