Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Bonifacius

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Heilsberg Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Ein Wunder des heiligen Bonifacius
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368.
Bonifacius-Kirche zu Heilsberg.

Eine andere Sage lautet: Als der heilige Bonifacius mit seinen Gefährten in das Thal unter dem Viehberg gelangte, ließ er sein Pferd auf dem grünen Rasen weiden; das Pferd hatte einen wunden Fuß, scharrte mit demselben, und da entsprang plötzlich eine Quelle, von deren Wasser der Fuß des Rosses augenblicklich heil wurde. Bald bewährte sich des Heilbrunnens wunderwirkende Kraft auch an siechen Menschen, von nah und fern strömten die Bewohner der Gegend herbei, vernahmen die neue Lehre, welche Bonifacius ihnen verkündigte, ließen sich taufen, und siedelten sich dort an. So entstand das Dorf Heilsberg, wo nun Bonifacius eine Kirche begründete, die nach ihm noch heute den Namen führt, so wie die Gemeinde des Ortes das Bild des thüringischen Apostels in ihr Siegel aufnahm. Lange Zeit waren die Bauern von Heilsberg in Erfurt vorzugsweise zollfrei. An der oberen Kirchthüre zu Heilsberg fand sich ein großes [232] Hufeisen angenagelt, welches Winfrieds Roß in der Quelle verloren haben soll.

An der Kirchenwand zu Heilsberg fand sich eine Steinschrift von hohem Alter, die niemand lesen konnte und noch bis heute niemand gelesen hat, so viele sich auch mit ihr abgemüht haben. Erfabelt wurde darüber zwar, daß zu der alten Bonifaciuskapelle in Heilsberg einst König Ludwig, Kaiser Karls Sohn, gekommen, hin gebetet und geboten habe, die Kapelle zur Kirche zu erweitern, und soll er das Gotteshaus reichlich begabt haben. Zum Andenken habe er eine Urkunde in Stein hauen lassen. Diese Steinschrift war bis zum Jahre 1816 alldort zu sehen, dann aber wurde sie ausgehoben und nach Weimar gebracht, wo sie in dem Großherzogl. Bibliothekgebäude ihre gesicherte Aufbewahrung gefunden hat. Um diese deutsche Steinschrift entziffern zu lassen, wurde sie einem berühmten Gelehrten, der vortrefflich arabisch, türkisch und persisch verstand, und in Förderung orientalischer Literaturkenntniß namhaftes Verdienst besaß, nach Wien geschickt. Die Lösung fiel völlig willkürlich, hypothetisch und widersinnig aus, man war aber so höflich, zu thun, als könne sie befriedigen, um nicht gegen diplomatische Formen anzustoßen, denn einer der berühmtesten Diplomaten hatte sie beim berühmtesten Orientalisten vermittelt, welcher letztere eben nicht altdeutsch, und auch nicht gothisch oder angelsächsisch verstand. Noch immer ist diese steinerne Räthselnuß zu knacken.