Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Das Futtermännel zu Thiemendorf

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Das Männel aus dem Ranzen Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Das Witzenthal und der Feuermann
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273.
Das Futtermännel zu Thiemendorf.

In Thiemendorf ohnweit Leutenberg war auf einem Bauerngute ein Futtermännel, das wartete des Viehes zur Nacht mit großem Eifer, putzte es, striegelte es, schnitt Häckerling und legte vor, und so gedieh alles Vieh aufs beste, daß es eine Lust war, die feisten und glänzenden Ochsen und Kühe des Bauers zu sehen. Alle Metzger suchten ihn heim, denn nirgend fand sich so wohlgemästetes Schlachtvieh, das machte alles der kleine thätige Hülfskobold. Da er selbst so thätig war, haßte er alle Faulheit, und spielte trägem Gesinde oft gar übel mit, verkehrte Knechten und Mägden die Gewänder, daß sie zum Gespötte wurden, und drückte und zwickte sie weidlich, wenn sie früh nicht aus dem Bette wollten. Das verdroß das meist träge Gesinde und es klagte viel über den Unhold, zog ab und brachte das Haus in Verruf. Dem Bauer selbst war auf die Länge das Walten des Hauskoboldes unlieb, es grauste ihn, sah er bisweilen in der Dämmerung [143] ein graues Hutzelmännchen in einem erdfarbenen Kittel über die Flur hutschen oder über den Boden schlürfen, und da er hörte, dergleichen unheimliches Völklein sei insgemein an die Wohnung festgebannt, in der es hause und sein Wesen treibe, auch daß nicht wohlgethan sei, es vertreiben zu wollen, oder es irgend zu erzürnen, so faßte der reiche Mann einen recht klugen Entschluß, und dachte: Ich baue mir ein neues Haus, mag der Kobold im alten bleiben. Das war in kurzer Frist geschehen, und der Tag zum Aus- und Einzug war schon bestimmt. Da – am Vorabend – sah man im Dunkeln das Männlein am Bach sitzen, der am Hause vorbeifloß, das wusch und schlemmte fleißig sein schier abgetragenes Röcklein. Da rief Jemand: Was machst Du? und das Männlein wisperte:

Ich wische, ich wasche
Mein Röcklein mir aus.
Denn morgen schon ziehn wir
Ins neue Haus.

Und wie gesagt, so geschehen. Die Familie zog aus und das Futtermännel half ziehen, wenn auch nicht allen sichtbar, und war auch in dem neuen Hause und den neuen Ställen thätig wie zuvor, so daß der Wohlstand des Hauses immer mehr wuchs, doch hatte das Männel keinen Dank, und wurde heimlich weit hinweggewünscht. Da kam eines Tags ein fremder Mann auf Besuch zu dem reichen Bauer, diesem entdeckte man die unheimliche Last, und daß man sie gern los sein möchte. Nichts leichter als das, rieth der Fremde: schafft ihm ein neues Röcklein und legt es auf den Futterkasten, als einen Lohn, da muß es weichen. Das geschah auch. Das Futtermännel nahm seine unwillkommene Gabe, und sagte traurig:

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Da hab’ ich meinen Lohn,
Jetzt muß ich auf und davon.

verschwand und kam niemals wieder. Aber der Undank rächte sich, denn weder das Vieh, noch der Wohlstand des Bauern nahmen ferner zu, sondern vielmehr ab und ersterer gewann zuletzt ein gänzliches Ende.