Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Der Ochse mit der Laterne

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Götter und Geister Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Der Lintwurm
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[63]
189.
Der Ochse mit der Laterne.

In grauer Vorzeit schon saßen in der Herrschaft Kürbitz Herren von Feilitzsch, zwei Zwillingssöhne eines alten Lazarus von Feilitzsch, der eine Christoph, der andere Gottfried genannt; diese Brüder entzweiten sich nach dem Tode ihres Vaters und geriethen wegen der Erbschaftsvertheilung in heftigen Streit. An einem Herbsttage begegneten sie sich auf dem Wege von Kürbitz nach dem ebenfalls im Elsterthale liegenden nahen Dorfe Wirschlitz. Bei einer uralten Eiche, neben dem sogenannten Auteiche, welche erst vor etwa zwölf Jahren vom jetzigen Besitzer niedergeschlagen wurde, ließ der eine der beiden Brüder, Christoph, sich so vom Zorn hinreissen, daß er das Schwert gegen den Bruder zog; Gottfried griff nun auch zur Wehr und beide geriethen so heftig aneinander, daß sie sich gegenseitig schwer verwundeten und bald darauf ihren Geist aufgaben. An derselben Stelle, wo sich die Zwillingsbrüder erschlagen, wurden sie begraben und die Wurzeln der Eiche wuchsen über ihre Gebeine. Doch wurde ihnen nicht die Ruhe des Grabes zu Theil, denn von ihrem Todestage an bis auf die jetzige Zeit steigt in mitternächtlicher Stille ein mächtiger Ochse mit einer brennenden Laterne am Horne aus dem Grabe hervor und erschreckt von da bis nach Kürbitz und wieder zurück mit schrecklichem Gebrülle den einsamen Wanderer. Der Ochse aber ist nichts andres, als die Hülle, in welcher der Geist des Christoph von Feilitzsch, dem sein Verbrechen keine Ruhe läßt, erscheint. Die brennende Laterne zeigt ihm den Weg und leitet ihn sicher unter die Erde zu den Gebeinen seines Bruders zurück. [64] In der Kürbitzer Kirche erblickt man zwei in Stein gehauene Ritter, welche die erwähnten Brüder vorstellen sollen. Sie sind in die Mauern eines Gewölbes eingelassen und stehen mit drohenden Gesichtern einander gegenüber, so daß man dem Gerüchte wohl Glauben beimessen und sie für die beiden ermordeten Feilitzschen halten darf.