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Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Der Wässermann

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Gespenstige Jäger und Sockreiter Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Reichmannsdorf
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175.
Der Wässermann.

Mancherlei eigenthümliche Sagen bergen sich in die stillen Thalgründe des Thüringer Waldes in den Distrikten zwischen der südlich gelegenen Stadt Eisfeld und der nördlich gelegenen Stadt Ilmenau. So im Thale der Schleuse bei den Dörfern Ober- und Unter-Neubrunn zeigt sich auf den Wiesen bei nächtlicher Weile der Wässermann, welcher rastlos bemüht ist, die Waldwiesen zu wässern. Er trägt eine silberne Haube, und hat am Rocke silberne Knöpfe, breite Schöße am Rock, aber keinen Kragen, den Hals zu schützen, den er auch [40] nicht braucht, da er keinen Kopf hat, und die Haube nur zum Schein aufgestülpt ist. Einst ging ein Mann im Mondschein durch das Thal, sahe jemand wässern, wußte aber nicht, daß es der Wässermann war, und ging auf ihn zu – da sah er mit schaudern, daß er einen Geist vor sich habe, doch fügte der Wässermann ihm kein Leid zu, sondern arbeitete fort. Auch der Thalwanderer eilte nach Ober-Neubrunn zu – kaum wagte er scheu, sich noch einmal umzusehen – da sah er noch den Wässermann; indem so schlug es in Ober-Neubrunn Eins, und mit dem Schlage verschwand der Geist. Bei Ober-Neubrunn ist ein Berg, heißt der Brücknersberg, der ist voll Wasser, und droht einzustürzen und alle Thäler mit seiner Fluthfülle zu überschwemmen, wie der Sperrhügel, der Schneekopf und der Singerberg. Häufig hört man es in seinem Schooße rauschen und brausen. Auch der „Kirchhügel“ bei Ober-Neubrunn ist merkwürdig. Er heißt so, weil keine Kirche droben. Es sollte eine hinauf gebaut werden, wollte aber nicht droben stehen, und es fand mit ihr gerade das Gegentheil statt, was sich mit der Sankt Johanniskirche über Altenberga zutrug.

In der Gegend von Heubach, Schnett, Ernstthal und dem ganzen Waldgebiete, das sich von da aus nach Südosten ausdehnt, giebt es sehr viel Sagen, die aber meist ihren Wiederhall auch in andern Berg- und Waldgegenden finden, daher deren Mittheilung nur aus Wiederholungen bestehen könnte. Nicht unanziehend aber dürfte diese sein: Unter Heubach am südlichen Abhange des Schufberges, der sehr steil ins Thal abfällt, fuhr einst ein junger Bauer mit Blochen. Eben als er die Hemmkette anlegen wollte, zogen die Ochsen an, der Wagen [41] rollte abwärts, vergebens strengte der Knecht alle Kraft an, ihn aufzuhalten, die Ochsen stürzten unter der schweren Wucht des belasteten Wagens, und die Hinterräder trafen und zermalmten den Wagenlenker. Am Jahrestage seines Todes erscheint er, und schreit fürchterlich, und knallt mit seiner Peitsche, daß es weithin schallt. Hirten gruben zu seinem Andenken ein Kreuz in den Rasen, und das erneuern sie alljährlich, wie das Rasenkreuz bei Rohr und das von Steinen gelegte Kreuz am Fuße des Streufhain erneuert wird.