Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Reichmannsdorf

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Der Wässermann Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Schloß Wespenstein
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176.
Reichmannsdorf.

Ueberm Gebirgskamme drüben jenseit von der Steinheide liegt der Marktflecken Reichmannsdorf, an dem in noch ungleich höherem Grade, wie um Steinheid, die Bergmannssage blüht. Der Goldberg war es, der überreiche Ausbeute gab; schon im zwölften Jahrhundert war der Bergbau dort in hohem Flor. In Goldgewändern prunkten Männer und Frauen einher, mit goldenen Kugeln schoben sie nach goldenen Kegeln. Es waren allzumal reiche Mannen, das gab dem Orte den Namen, den er bis heute führt. Das Kegelschieben ist Nachhall alter verklungener Riesensage, denn ein Thal in der Nähe des Ortes heißt noch der „Riesenbach“. Aus dem Reichmannsdorfer Bergsegen wurde die herrliche St. Johanniskirche zu Saalfeld erbaut. Ein bis zwei Meilen rund um Reichmannsdorf verbreiteten sich die 122 Gold- und Silbergruben. Einst fand man einen gediegenen Goldklumpen, [42] der war 4000 Gulden werth. Es giebt auch Dukaten aus Reichmannsdorfer Golde.

Einst besuchte ein Herzog von Sachsen das Bergwerk, auf einen goldenen Stuhl ward er gesetzt; ein junger Bergknappe fuhr mit ihm an im reichsten Schacht, und zeigte ihm drunten alles Sehenswerthe. Der Herzog belohnte seinen Geleiter sehr reich, und dieser prunkte mit dem empfangenen Golde. Da erwachte Verdacht gegen ihn, daß er das Bergwerk bestohlen habe. Er wurde verhaftet, und ihm durch die Folter das Geständniß eines Verbrechens abgepreßt, dessen er nicht schuldig war. Dann wurde er hinausgeführt und als Dieb gehenkt. Seine alte Mutter aber in ihrer Verzweiflung füllte ein Gemäß mit Mohn, schritt zur reichsten Grube, schüttete allen Mohn hinab und verwünschte das ganze Bergwerk. So viel Körnlein Mohnes jetzt da hinab fallen, so viel Jahre soll das Reichmannsdorfer Bergwerk verwünscht und verflucht sein! Deß bringe ich mich selbst zum Opfer dar – und stürzte sich dem Mohne nach, und starb dem Sohne nach. Von Stund an war es zu Ende mit dem Bergsegen, die Stollen und Schachte brachen, wurden ersäuft, kamen zum erliegen, und der so reiche Ort verarmte.

Am Goldberge wiederholt sich die Venetianersage. Wichtiger noch ist der Venusberg, in welchem eine weiße Frau wohnt, die zu Zeiten auf demselben wandelnd erblickt wird – die offenbar keine andere ist, als die Frau Venus der deutschmittelalterlichen, die Frau Hulda der urgermanischen Mythe.

Viele Sagen gehen auch von besonderen Schätzen, die unter den Trümmern einer alten St. Brandanskirche ruhen sollen. Die Stätte heißt insgemein Gebramets-Kirchen. [43] Zu Schmiedefeld hat vordessen ein Köhler gelebt, der hieß Christoph Seifert – dem sollen die Schätze bescheert gewesen sein, er hat sie aber nicht gehoben. Auch ein Schloß soll nahe dabei gestanden haben.