Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Die Beschwörung der Toden

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Die erlößte Großmutter Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Hilde und die Wasserjungfern
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[155]
286.
Die Beschwörung der Toden.

Vor Zeiten lebte in Eßbach ein Mann, Hannikel genannt, der die Toden zitiren konnte, und sich in einen frevelhaften Verkehr mit ihnen eingelassen hatte, um durch sie Diebstähle zu entdecken oder zu erforschen, was zukünftig sich ereignen werde. Wenn er etwas dergleichen erfahren wollte, nahm er die Hacke der Todengräber, womit die Gräber gemacht worden waren und ging, ohne daß jemand davon wußte, zwischen 11 und 12 Uhr des Nachts, durch den Gottesacker hin zur Kirche. Dort hackte er 3 Kreuze in die Kirchthüre. Dann stellte er sich auf das Grab eines ihm bekannt gewesenen Verstorbenen, und rief denselben 3 Mal mit Namen. Der dadurch erweckte Tode fragte nun nach Hannikels Begehr und entdeckte ihm alles, was er wissen wollte, mit dem Zusatze: „Von nun an lasse mich aber in Ruhe.“ Der Beschwörer durfte kein Wort hierauf mehr sprechen, und mußte, ohne sich umzusehn, die Stätte verlassen, sonst würden die Toden, [156] deren Steinwürfe um ihn herumflogen, ihn getroffen und ums Leben gebracht haben. Seiner Strafe entging er nicht. Nur aus Versehen hatte er einstmals sich ein wenig gewendet, da haben sie ihn gesteinigt, daß er am 3. Tag darauf daran gestorben ist.