Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Die erlößte Großmutter

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Das Teufelswehr Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Die Beschwörung der Toden
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[154]
285.
Die erlößte Großmutter.

Eine alte Frau in Schöndorf starb und wurde begraben, kehrte aber Tag vor Tag in ihrem vorigen Wohnhause wieder ein. Des Nachts wenn die Glocke 11 geschlagen hatte, trat sie durch die verschlossene Haus- und Stubenthüre ein, nahm Platz auf der Ofenbank, setzte sich dort auf den Wechsel, so heißt die Stelle, wo die den Ofen umgebenden 2 Bänke zusammenstoßen, und blieb ganz ruhig bis es 12 vom Thurme schlug, wo sie dann auf dieselbe Weise sich wieder entfernte, wie sie gekommen war. Ihr Enkel, dem das Haus zugefallen war, hätte gern der Großmutter die ewige Ruhe gegönnt, und beschloß darum zu fragen: was sie wolle, oder was ihr fehle? Weil er jedoch für sich allein zu furchtsam dazu war, versammelte er seine Freunde und Bekannte in der [155] nächsten Nacht bei sich. Die Großmutter kam gleichfalls zu ihrer gewohnten Zeit und nahm den Platz auf der Ofenbank am Wechsel ein. Mit der wohlbedachten Frage auf der Zunge ging der junge Hausbesitzer dreist auf sie zu. Da nieste die vor ihm Sitzende 3 Mal. „Gott helf euch, Großmutter!“ rief er ihr zu. – „Ach! darauf habe ich schon lange gewartet, großen Dank, mein gutes Kind!“ war die Antwort. Sie ging sogleich und ließ sich niemals wieder sehen.