Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Die Frau von der Weißenburg

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Der Merseburger Rabe Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Der Sprung vom Giebichenstein
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[245]
383.
Die Frau von der Weißenburg.

In zweifacher Weise deutet die Gegend um Naumburg wieder nach der romantischen Frühe der Thüringer Landgrafenzeit hin, und will ein Sagenwanderer, statt der Saale ferner zu folgen, lieber der in diese dort einfließenden Unstrut entgegenziehen, so betritt er einen Boden, über den noch immer ein Klageton um das einst so reiche und große, und dann für immerdar in Trümmern geschlagene Königreich Thüringen hinzittert.

Ludwig, der zweite Graf von Thüringen, des Bärtigen [246] Sohn, hatte seinen Länderbesitz durch Ankauf der Herrschaft Sangerhausen, in der güldenen Aue, gemehrt, und eine Frau genommen, deren Stolz und Hoffarth ihm so unerträglich war, daß er sich ihrer bald wieder abthat. Nun wieder ehelos geworden, zog der Graf umher, gastete da und gastete dort, und so war er einst auch bei Mezelin, einem Grafen zu Nebra, der ein reiches Gastmahl gab, und auch den Pfalzgrafen Friedrich von Sachsen, der auf der ohnfernen Weißenburg beim Dorfe Scheiplitz wohnte, sammt dessen Ehegemahl, eingeladen hatte. Diese Frau, Adelheid geheißen, war über alle Maaßen schön und Graf Ludwig wurde in heller Minne zu ihr entzündet, tanzte viel mit ihr, und gewann ihr das Herz ab. Später besuchte Ludwig die Pfalzgräfin bei ihres Mannes Abwesenheit, und da wurde ein sehr untreuer Rath ausgesonnen, und bald daraus auch in solcher Weise ausgeführt, daß, als der Pfalzgraf im Bade saß, Graf Ludwig so nahe auf seinem Gebiete jagte, daß der erstere dessen Horn erschallen hörte, und als er erzürnt fragte, wer der kühne Jäger sei, so nannte Frau Adelheid des Grafen Namen und trieb den Gemahl an, solchen Schimpf nicht zu dulden. Da warf der Pfalzgraf über sein Badehemde nur einen Mantel, und schwang sich auf ein Roß, und jagte Ludwig nach und schalt ihn heftig, mochte wohl auch außer der nächsten Ursache deren mehr zu Groll und Grimm im Herzen haben. Ludwig aber drehte sich um und durchrannte den Pfalzgrafen mit seinem Jagdspieß, daß er gleich tod vom Rosse fiel.

Lange hat hernachmals an jener Stelle ein Denkstein dieser That gestanden, und noch länger ist ein Lied auf dieselbe im Munde des Volkes gewesen. Graf Ludwig [247] aber freite die schöne Pfalzgräfin Adelheid, welche nun die Stammmutter aller nachfolgenden Landgrafen von Thüringen wurde, und erbaute das Städtlein Freiburg an der Unstrut und über demselben die Bergfeste Neuenburg, wie derselbe auch das alte zerstörte Eisenach wieder erneute und die Wartburg erbaute.