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Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Die wandelnde Laterne

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Der Riesenfinger Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Der Name von Aue
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[241]
378.
Die wandelnde Laterne.

Bei Camburg, einer Stadt im Saalthale zwischen Jena und Naumburg, lag vor Zeiten das Cyriakskloster, von diesem sollen Gänge bis unter den Dom zu Naumburg geführt haben. In der herbstlichen Zeit wandelt ein Licht, im Volke als „die Laterne“ allgemein bekannt, von der Stätte des Cyriaksklosters über die Saale hinüber, umwandelt drüben einen großen Bogen, und kommt dann wieder zurück. Im nahen Dorfe Leislau lebte einst ein reicher Mann, Vater eines einzigen Sohnes, welcher starke Liebesneigung zu einem Mädchen geringer Herkunft faßte. Der Vater mißbilligte diese Liebe, und fuhr mit dem [242] Sohne nach Naumburg, wo er ihn zwang, geistlich zu werden. Nach einiger Zeit wurde der junge Cleriker Mönch im Cyriakskloster. Dort seiner Geliebten wieder näher, sann er auf öftere Vereinigung mit dieser, und entdeckte eine Fallthüre, die aus dem Kloster führte, und die er hinter sich wieder verschloß. Mit einer Blendlaterne eilt er die Mönchsschöppe herab, am Saalufer ein kleine Strecke aufwärts, wo er einen Kahn weiß, und fährt zum Clausfelsen hinüber. Dort gelandet, steigt er zum Clausberg hinauf, wandert über die Höhe, und ist glücklich in den Armen seiner Geliebten, aus denen er nach einigen Stunden auf gleichem Wege wieder heimlich in sein Kloster zurückkehrt.

Immer waren dem jungen Mönche diese nächtlichen Wanderungen geglückt, einst aber, bei seiner Rückkehr wollte es das Unglück, daß die schwere Fallthüre wieder zu und ihm die Hand abschlug, in welcher er die Laterne hielt. Man fand ihn am andern Morgen verblutet, tod auf der Treppe des geheimen Ganges, aber die rechte Hand sammt der Laterne war verschwunden. Sie ist es, welche die nächtliche spukhafte Erscheinung nun alljährlich hervor bringt; viele haben sie schon gesehen, und niemand bezweifelt dieselbe.