Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Holzleute in der Schlee

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Der Venetianer Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Der Mönch
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207.
Holzleute in der Schlee.

Bei Teichwolframsdorf erstreckt sich eine große ausgedehnte Waldung, diese heißt die Schlee. Darin lebten vor Zeiten auch Holzmännel und Holzweibel. Ein Pärlein derselben hatte sich von Baumwurzeln ein Häuslein erbaut und darin lebten sie, und lebten auch von Baumwurzeln, wenn sie kein Brod bekamen. Sie verkehrten gern und freundlich mit den Menschen, waren aber klein und häßlich. Noch immer soll es im Walde dergleichen geben. Im Jahr 1830 ging ein junger Mann, Namens Nier, der von der Wilden-Taube war, durch die Schlee. Da begegneten ihm, als bereits die Dämmerung eingebrochen war, auf einem Kreuzweg zwei Holzweibel. Sie sahen grau aus, hatten ganz bemooste Gesichter, alte graue Kleidung, und waren sehr klein. Auf dem Rücken trugen sie Körbe von ungeschälten Weiden. Eins davon strickte an einem grünlichen Strumpfe. Der junge Mann ließ [81] sie ungestört ihres Wegs ziehen und drückte sich schweigend an ihnen vorüber.

Auf der Wilden-Taube wohnte ein Bader, an dessen Fenster klopfte es eines Abends und war Jemand draußen, dessen Gestalt er nicht recht erkennen konnte. Dringend bat ihn dasjenige und mit seiner Stimme, mitzugehen, da seine Hülfe Noth thue, und so verließ der Bader sein Haus. Als er nun der Gestalt näher kam, war’s ein kleines graues Holzmännel, das in der Hand eine Gerte trug. Da grauste dem Bader und wollte nicht gehen, das Holzmännel aber bat gar flehentlich und sagte, sein Weiblein habe den Arm gebrochen. Es werde ihm nichts geschehen. So ging er denn mit und wurde in die Schlee geführt und in das Hüttchen der Holzleute, und da richtete er des Holzweibels zerbrochnen Arm ein und schiente ihn. Dreimal holte ihn noch das Holzmännel ab zum Verband, und brachte ihn immer auf gutem Wege wieder nach Hause. Beim letzten Gang bezahlte es den Bader so, daß er zufrieden war, nämlich mit fünf alten Thalern. Hernach hat der Bader aus Neugier am Tage die Holzleute besuchen wollen, allein vergebens mühte er sich, den Waldweg wieder zu sinden, den er des Abends geführt worden war. Er fand ihn nimmermehr.