Topographia Alsatiae: Hagenau

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Topographia Germaniae
Hagenau (heute: Haguenau)
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1643/44, S. 22–24.
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Hagenau.

Diese Reichs-Stadt ligt im Undern-Elsaß / vier Meilen von Straßburg / zwischen den Flüssen Motter / oder Matra, und Sorna: Ist mit Büschen und Wälden allenthalben ümbgeben / und hat einen sandichten Boden herümb / aber etwas davon ein fruchtbar Feld / und bekompt viel Früchten von dem Kochersberg. Sie wird / der gemeinen Rechnung nach / under die vier Dörffer deß Reichs gezehlet / sonsten aber desselben Kammer genandt / als in welcher Käyser Fridericus I. und andere Käyser / ein Kammer / und Rent-Ampt / deß gantzen Elsaß angestellet haben / welcher Fridericus auch / ümbs Jahr 1164. die Stadt mit einer Mauer ümbfangen / und mit vielen Privilegien begabet / sie zur Reichs-Stadt gemacht / und zum Regiment zwölff Adeliche Persohnen eingesetztet; auch allhie Anno 1153. mit rohtem Marmorstein / einen Pallast erbauet hat / in welchem er deß Reichs Kleinodien verwahret; welche aber folgends / nach Absterben seines Sohns / Käysers Philippi / ümbs Jahr Christi 1209. von dem Bischoff zu Speyer / den Bürgern unwissend / auff das Schloß Trifelß / an dem Fluß Queicha gelegen / transferiert worden seyn. Es ist obgemeldter Käyserlicher Pallast / Burg / oder die alte Pfaltz / sehr eng und alt / auff welche hart zusteigen ist. Zu höchst oben ist der Gerichtstul / wie sie ihn allda darvor ansehen / und sagen / daß Käyser Friderich allda gesessen; so von Steinen gemacht ist. Unden in dieser Burg ist die Kirche gewesen / darinn oben herümb noch feine gegossene steinerne alte Säulen; es seyn da drey auffeinander in der Runde gebauet / und gewölbte Capellen under einem Dach / mit gebackenen Steinen under schieden / in welchen die besagte Käyserliche Kleinodien auff 56. Jahr auffbehalten worden. Und ist solcher Pallast beynahe mitten in der Stadt gelegen. Sonsten ist die Stadt von alten Gebäuen / und haben vor diesem die Frembde das Raht- und Zeug-Hauß zu besichtigen gepflegt. Bey diesem Kriegs-wesen ist sie etwas an Wassergräben / und Bollwercken / bevestiget worden. Hat einen Saltz- und Viehe-Handel allda; und wird die Stadt von 12. Schöffen / und 24. von den Handwercken regiert / und werden Jährlichs / und jedes Quatember / auß den Schöffen einer zum Städt-Meister / und auß den 24. ein Marschall / so die Stadt regiert / genommen; deren einfach Monatlicher Reichs-Anschlag ist / 6. zu Roß / 30. zu Fuß / oder 192. Gülden / und führet sie eine Rose im Wappen. Obgedachter Käyser Fridericus Barbarossa solle auch die Kirchen zu S. Martin / Paul / und Nicolai / und den alten Spital vor der Stadt / gestifftet haben: und war die S. Niclaß-Kirchen zuvor das Praemonstratenser Kloster genandt. Das Augustiner Kloster hat Käyser Rudolphus I. Anno 1284. damahls vor der Stadt fundiert. Es hat auch allhie ein Jesuiter Collegium, vor welchem ein sehr langer Mauerbrecher zusehen. Umbs Jahr 1212. hat Käyser Friderich der Ander die Stad / weil sie Käyser Othoni dem Vierten geschworen / belägert / und eingenommen / und doch dieselbe / wegen der Treu / gegen Käyser Otten / begnadiget. Anno 1621. im Decembri / nahm diese Stadt Graff Ernst von Manßfeld ein: so im folgenden Jahr Ertz-Hertzog Leopoldus von Oesterreich wieder erobert hat: und wurde damahln das Exercitium Augspurgischer Confession, so Anno 1565. oder 66. allda introduciert worden / abgeschafft. Anno 1632. im Decembri / ist der Herr von Croneck / von dem Schwedischen Feld-Marschalck Horn hieher geschickt worden / die Stadt zur Accommodation, vor der Belägerung / zu ermahnen: darauff sie sich ergeben / und den 11. und 21. Decembris die Schwedische eingenommen. Aber Anno 1633. zu Anfang deß Januarii / ist sie von denen auß Elsaß-Zabern / und Dachstein / außgezogenen Käyserischen / durch einen unversehenen List / mit Hülff etlicher Bürger und Bauren / wieder eingenommen worden / in dem dieselbe / underm Schein / als wolten sie Heu und Stroh in die Stadt führen / die Soldaten auff den Wägen versteckt gehabt / welche under dem Thor herauß gesprungen / und die Wachten in dem Thor nidergemacht; worauff Bürger und Bauren auch zugefallen / und neben den Käyserischen / die übrige Soldaten in der Stadt mit Brügeln / jämmerlich ermordet / außgezogen / und auff den Gassen ligen lassen / und also daß die Hund derselben viel beschädigt haben sollen: Der Schwedisch Obrist Leutenamt von Croneck aber / welcher bey diesem Einfall zween Schüß bekommen / ist / neben dem Auditor Knoll / und andern Officierern / in Arrest genommen worden. Folgender Zeit nahmen die Frantzosen diese Stadt ein. Es hat allhie ein berühmbte Land-Vogtey deß Heiligen Römischen Reichs / darzu die Reichs-Städte Collmar / Schlettstadt / Weissenburg / Landau / Käysersberg / Ober-Ehenheim /

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[23] Roßheim / Türckheim (vorzeiten auch Mülhausen) und Münster in S. Gregorienthal: Item / ein grosse Anzahl Dörffer / so man die Reichs-Dörffer nennet / und die durch einen Under-Land-Vogt / in deß Hochlöblichsten Hauses Oesterreich Namen / regiert werden / gehören. Hat ein eigen Landgericht / dem ein Käyserlicher Schuhltheiß / sampt seinen Schöffen / vorgesetzt ist. Im Obern-Elsaß ist auch ein Oesterreichischer Land-Vogt. Dieser Land-Vogt aber im Undern-Elsaß / wann er in sein Ampt erstlich tritt / er sey wessen Standes und Dignität er wolle / muß Anfangs der Stadt Hagenau schweren / daß er ihrer Freyheit / und Privilegien / durchauß keinen Eintrag thun wolle. Es solle solche Land-Vogtey Hagenau erstlich halb dem Bischoff Berchtolden zu Straßburg vom Römischen Reich ümb 44000. Gülden Pfandeweiß überlassen worden seyn / die Bischoff Wilhelm hernach Chur-Pfaltz / ümbs Jahr 1406. ledig und frey übergeben / damit er Hülff wider die Stadt Hagenau hätte: Welches hernach Käyser Sigismundus, ümbs Jahr Christi 1423. nicht allein bestättiget / sondern auch den andern halben Theil / gegen Erlegung 50000. Goldgülden / darzu geschlagen / so lang zu besitzen / und zugeniessen / biß von römischen Käysern und Königen / solche 50000. Gülden wieder bezahlt würden. Folgends ist solche Land-Vogtey Erbsweise an Chur-Fürst Friderichen den ersten kommen; weil er aber / wegen seiner Kriege / vom Käyser Friderico IV. in Acht erklärt ward / so gab er / der Käyser / solche Land-Vogteyen Pfaltz-Graff Ludwigen dem Schwartzen zu Zweybrücken / darwider aber besagter Fridericus protestiert. Und hatte folgends solche sein Successor, Chur-Fürst Philippus, noch / biß auff den Bäyerischen Krieg / in Anno 1504. Und stehet in einer geschriebenen Verzeichnüß / es hätte Anno 1486. Pfaltz-Graff Philips Chur-Fürst / das Schloß Geroltzeck / als ihme nahe gelegen / sampt Reichshofen / und Hochfelden / eingenommen / auch nicht wieder geben wollen / biß / als er sich wider Käyser Maximilian den Ersten auffgelainet / solch Schloß / sampt der Land-Vogtey Hagenau / und allem / so er im Elsaß hatte / als Offenburg / Gengenbach (so beyde / mit dem nachbenandten Schloß / Bischoff Wilhelm von Straßburg / als er mit der Stadt Straßburg kriegte / Pfaltz-Graff Ruperto Chur-Fürsten / nachmahls Römischen Käyser / an den er sich gehengt / für Kriegskosten übergeben hat) das alte Schloß Ortenberg / oder Ortenburg / nahend Gengenbach / und dem Fluß Kintzig / auff einem Berg / vier Meilen von Schiltach / und drey von Straßburg gelegen / und was zu diesen Orten gehörig / ihme der Käyser genommen. Und hat besagtes Schloß Geroltzeck / er der Käyser Maximilian erobern müssen; und waren / in selbiger Belägerung / grosse Stück darvor / so man genennt den Ballauff / die böse Elß / die Pfaltz / den Löwen / den Neidhard / den Narren / etc. Und befanden sich viel Fürsten / Graffen / und vom Adel darbey. Das Schloß ward hierauff dem Marg Graffen von Baden / zu gesampter Hand eingeraumet; doch hat endlich Pfaltz bewilliget / daß man es den Erben von Geroltzeck wieder zustellen solte / so der Marg-Graff ungern gethan haben solle. Die Land Vogtey Hagenau aber / ist wiederümb an die Pfaltz kommen / und bey derselben blieben / biß Anno 1558. solche Käyser Ferdinandus I. von Chur-Pfaltz gelöset / und an das Hauß Oesterreich gebracht hat.

Sie solle ihren Namen von dem Hage / der zuvor ümb die Burg gangen / und dahin das Wild getrungen / empfangen haben. Käyser Friederich der Erste hat im Schloß (welches vorhin vor der Stadt / jetzt aber beynahe mitten darinn ligt / und das längst zuvor angefangen / und von dieses Käysers Herrn Vattern verbessert worden) Anno 1153. einen Pallast erbauet. Und hat ein Land-Vogt seine Residentz / und Wohnung / in solchem Schloß / oder Burg gehabt; darzu auch / von alten Zeiten her / etliche Land Herren / und vom Adel / gehört / die man die Burg-Leut / oder Burg-Männer / nennet / welche ihre Burg-Sitz / mit anderen Gerechtigkeiten / und Freyheiten / von H. Reich zu Lehen getragen. Wie es aber jetzt / nach dem / die Land Vogtey Hagenau Frantzösisch worden / damit gehalten werde / ist mir nicht bewust. Siehe / die Verzeichnüß der Ober- und Under-Land Vögten zu Hagenau / beym Bernhard Hertzog in der Elsasser Chronick / lib. 9. cap. 3. daselbsten auch von dem Land-Gericht / Schultheisen / und Schöffen / zu Hagenau / im 4. Capitel / und was es vor eine Beschaffenheit mit solche Land-Vogtey / wegen der zehen Reichs-Städte / under derselben gelegen / habe / oben Collmar. Anno 1647. ist absonderlich eine Außführung davon herauß kommen / darinn angezeigt wird / daß die besagte zehen Städte / als Hagenau / Collmar / Schlettstadt / Weissenburg / Landau / Käysersberg / Ober-Ehenheim / Roßheim / Türckheim / und Münster in S. Gregorienthal / der gethan Land Vogtey nicht erblich gehören / sondern nur under derselben Special Protection, wegen deß Reichs / seyen.

Und in der Capitulation deß Anno 1653. Jahrs erwählten / und gekrönten Römischen Königs / Herrn Ferdinandi deß Vierdten / etc. Artic. 6. stehet: so dann die zehen Vereinigte Reichs-Städte im Elsaß / ausser deß Juris specialis Advocatiae, seu Protectionis, Krafft Instrumenti Pacis, under dem Heiligen Römischen Reich / gleich wie andere Immediat-Stände / beständigt einverleibt bleiben. Aber wieder auff die Stadt Hagenau zu gelangen / so ist dieselbe zum drittenmahl mit den Mauren erweitert / viel Kirchen / und Geistliche Häuser darinnen gebauet / auch mit 50. Thürnen / und Rundelen / bewahrt / und schöne weite Gräben darümb geführt worden.

Gemeldter Hertzog schreibet lib. 9. cap. 5. es befinde sich nicht / daß diese Stadt / jemals / in einiger Rebellion / oder sonsten Ungehorsame / und Undanckbarkeit / gegen den Römischen Käysern / und Königen / befunden worden sey; welcher auch von Ordnungen / Zöllen / Auffsetzen / und dergleichen; Item von denckwürdigen Sachen / so allhie fürgangen / [24] anderswo handelt; und darunder von besonderen Streitigkeiten / Vehden / und Kriegen der Stadt / und Land-Vogtey / als / Anno 1365. wider die Engelländer: im Jahr 1374. mit einem EdelKnecht / Stophes genandt; Anno 1378. mit der Stadt Straßburg: Anno 1391. mit denen von Fleckenstein / zu Beinheim: Anno 1438. mit Juncker Buplapen: Anno 1436. mit dem schwartzen Hertwig von Dürkheim / und dem Hoffmann: Anno 1451. mit dem Graffen von Lützelstein. Anno 1424. ward ein grosser Thurnier: Anno 1498. ein ansehenlich Schiessen; und Anno 1540. ein Reichstag / allhie gehalten. Von welchen / und mehrern Sachen / gemeldter Hertzog weitläuffig handelt: zu dessen Zeiten / ümbs Jahr 1590. waren von alten Adelichen / auch Bürgerlichen Geschlechten allda / die Schotten / Bogner / zu Thannen / König / Reisser / Brucker / Füller / Ritter / von Gottesheim / Wanger / Kleinen / Hecker / Reinbolten / Greiffen / Breuning / von Hochstetten / Scheiden / Knobloch / und Andere mehr / deren Wappen / und Stammen-Register / Er setzet. Von dem obgedachten Land-Gerichte allhie / und desselben Freyheiten / siehe auch Volumen 1. Consil. Argent. Consil. 20 In der 1639. zu Nürnberg verfertigter Designatione Restituendorum in tribus Terminis, stehet also: Augspurgische Confessions-Verwandte zu Hagenau / Restitutionem der Kirchen / und Schulen / wie auch das Exercitium Religionis, et Communionem Magistratus, betreffend. Kemnitzius im 2. Theil / vom Schwedischen im Teutschland geführten Krieg / schreibet / daß im 1633. Jahr / den 5. Januarii / diese Stadt den Schwedischen durch Practicken / entzogen / und mit denselben allda / under dem Obrist Lieutenant von Croneck übel verfahren: Zu Schlettstadt aber seye die Conspiration entdeckt / und gestrafft worden: und hätte Rhein-Graff Oth Ludwig die Städte / und Schlösser / im Sundgäu Thau / Altkirch / und Pfird; hergegen die Brisacher / Neuenburg oberhalb Brisach / darinn Schwedische gelegen / eingenommen: Die Bauren hätten Pfirdt / und Altkirch / wieder bekommen / und weren mit den Schwedisch-Rhein-Gräffischen übel / und erbämlich ümbgegangen / seyen aber den 29. Januarii / zu Blotzheim / einem Dorff / überfallen / deren in tausend erlegt / und eben so viel / vom Obrist Harpfe / Gefangene nach Lansern gebracht; vom Rhein-Graffen selbsten / im Dorff Dammers-Kirch / der Gegend Beffort / ihrer hernach von 15. biß 1600. erschlagen worden; und liessen die Schwedischen der Bauren im Brißgäu 130. auffknüpfen: Anno 34. hätte sich Franckreich je länger / je mehr / deß Teutschen Wesens an: und die Orth Elsaß-Zabern / Hagenau / Luders / und dergleichen / in seinen Schutz genommen. Nach der unglückhafften Nördlinger Schlacht / hätten dem König in Franckreich die Schwedischen / auch Collmar / Schlettstadt / Marckelsheim / Türckheim / Ensisheim / Münster / Käysersperg / Ruffach / Murbach / Gebweiler / Than / Pollweiler / Oberbergkheim / Hohen-Landsperg / Rotenberg / Maß-Münster / und Hohenkünsperg / mit ihrer Zugehör / überlassen. Als dieses verricht / seye der Rhein-Graff Oth Ludwig gegen Wormbs abwerts gezogen / und daselbst den 6. Tag Octobrisstracks darauff gestorben: die Einantwortung Collmar seye den Frantzosen / den 10. und 11. und Schlettstadts / den 14. Octobris geschehen. Was Anno 35. bey Hagenau vorgegangen / davon besiehe oben Dachstein. Anno 36. proviandirte der Cardinal de la Valette diese Stadt. Anno 1640. hat den Philipsburgern ihr Anschlag auff dieselbe zweymahl mißlungen; es wolte auch die Anstaldt durch ein Weib / so vom Rhein herauff / an etliche Geistliche / und andere vornehme Personen / im Heumonat / Schreiben dahin gebracht / nicht von statten gehen: Aber Anno 1642. wurden die Hagenauer / von den Philipsburgern / herauß gelockt / daß darüber von denen zu Hagenau viel geblieben / viel gefangen / und bey 200. stück Viehs davon gebracht worden seyn. Siehe den 4. Theil deß Theatri Europaei, fol. 219 und 834. b.

Vide Nicolaus Reusnerus, et Dresserus de Urbibus Germaniae, Hertzog in der Elsasser Chronick / Limnaeus de Jure publico Imperii Romano-Germanici lib. 7. cap. 22. Caspar Lerch de Ordin. Equ. Germanico fund. 1. Summar. II. num. 89. Franciscus Hortleder / von Ursachen deß Teutschen Kriegs lib. 1. cap. 3. fol. 623. numer. 66. Crusius part. 3. Anual. lib. 12. capit. 36. Tom. 1. Consil. Argentin. consil. 20. Relationes, und geschriebene Verzeichnüssen.