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Topographia Alsatiae: Weissenburg

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Topographia Germaniae
Weissenburg (heute: Wissembourg)
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1643/44, S. 65–68.
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[T38]
[65]
Weissenburg / Sebusium.

Oder Cron-Weissenburg / ist eine Reichs-Stadt / an der Lauter / nahend dem Rhein und an den [66] Gräntzen deß Waßgäus / zu welchem sie auch von Theils: von andern aber noch zum Undern-Elsaß / weil sie mit der Oesterreichischen Land-Vogtey Hagenau incorporiert ist / gezogen wird. Stösset hart an die Undere-Pfaltz / und das Ampt Germersheim. Beatus Rhenanus sagt: Daß sie der Alten Sebusiorum Sitz gewesen / daher man auch darfürt halte / daß dieser Stadt Nam von denselbigen / unnd nicht von der weissen Burgher kommen sey. König Dagobertus auß Franckreich / hat hieher ein silherne / und übergüldete Cron / mit leinen Thürnen / und schöner Arbeit gezieret / verehret / so vier und zwantzig Schuh in der Weite gehabt: wie noch vor dem jetzigen Krieg eine allda in der Kirchen von Kupffer gehangen / und vielleicht noch / so aber nicht deß besagten Königs Dagoberti ist. Und dieser König hat auch diesem Ort die Freyheit geben / daß in einem gewissen Bezirck ümb die Stadt (so an etlichen Orten einer Meilen breit / mit hohen Marcksteinen besetzt ist / und darinn viel Dörffer ligen) die Innwohner desselben gute Macht / Fug / und Gerechtigkeit / zufischen / hoch und nider Wildpret zujagen / und zufahen / haben solten: welcher Bezirck ins gemein Mundat / von gedachtem König aber Emunitas genandt wird. Und seyn die Mundat-Herren der Probst / und Raht allhie. Und ist da ein mächtig und reiche von Abbtey Anno Christi 623. gestifftet / und von ihme dem König Dagoberto (dessen Tochter Irmina allhie ruhet) reichlich begabet / und vermehret / under welchem Kloster vor Alters auch diese Stadt (wiewol sie älter / als das Kloster seyn solle) gewesen / welche ümbs Jahr 1262. durch Abt Friderichen mit Mauren beschlossen / hernach von seinem Nachfahr Edelino mit Gräben und Bollwerck ümbfangen / in folgender Zeit aber ein Reichs-Stadt: gleich wie Anno 1523. auß der Abbtey ein Probstey / und dieselbe Anno 1546. von Herren Philippo von Fleißheim / Bischoffen zu Speyer / und[1] Probsten allhie / auff Zulassen Käysers Caroli V. und Pabst Pauli III. dem Stifft Speyer incorporiert, worden ist. Käyser Carolus IV. hat den Abt allhie / wie auff die zu Fulda / Kempten / und Murbach / Aebte deß Käyserlichen Throns / oder Cathedrae gemacht / und mit dem Fürsten-Titul gezieret / die auff offentlichen Reichs-Tägen zu deß Käysers Füssen sitzen sollen. Es hat der Probst noch etliche Gerechtigkeiten allhie / der auch einen Schultheissen an das Staffel-Gericht setzet / welche bißhero gemeinlich von Adel gewesen: Es fallen auch die gemeinen Schlag- und Mund-Frevel einem Probst / und seinem Schultheissen / der sie dem Probst zuverrechnen hat. Und appellieret man von solchem Staffel- oder Under-Gericht / an das Ritter-Gericht / welches alle drey Jahr allhie gehalten wird; und von solchem so dann an das Kammer-Gericht. So hat es auch in dieser Stadt einen besondern Vogt / so mit der Zeit an die Stadt / folgends Anno 1525. bey Pfaltz-Graff Ludwigs Belägerung / an Chur-Pfaltz / und Anno 1559. wider an die Statt kommen / da auß dem Raht der Eltist zu einem Stadt-Vogt / gezogen wird: Welcher in Peinlichen Sachen / wegen der Käyserlichen Majestät / exquiren läst. Das Teutsche-Hauß allhie / hat Hohe Freyheiten / darinn auch ein Todtschläger sich etliche Wochen auffhalten mag. Und was obgedachten gefreyten Bezirckt anbelangt / so ist in demselben das Fischen in der Luter / auch andern Bächen: Item / das Hasen jagen / und ander Weydwerck / deßgleichen das Holtzhauen auff gemeinen Wälden / und der Weydgang auff den Almenden / frey. Die Stadt selbsten ligt gar wol; hat einer trefflichen Weinwachs; gibt auch viel Kästen / oder Castanien / so weit verführet werden / herümb / darvon beydes die Bürgerschafft / und ümbligende Flecken / ihre Nahrung haben. Bey der Haupt-Kirchen / neben einem Creutzgang / ist vor dem Krieg ein schöner grosser Hagendorn / zwey Zimmer hoch / wie ein Lindenbaum außgebreytet / und darauff etliche Tisch gestanden / welches wunderbar außgesehen: wie Herr Augustin Frey-Herr von Mörßberg / Ritter / in seinen Reysen /in Anno 1590. gedencket. Mag vielleicht noch da stehen. Es ist auch sonsten vor gedachtem jetzigen Krieg / diß ein sehr lüstige / wolerbaute / schöne Häuser / und Lust-Gärten habende / und / wegen deß frischen Wassers der Lauter / so fast durch alle Gassen fleust / gar saubere Stadt gewesen: allda beyde Religionen seyn. Auß welcher bürtig gewesen / Otto Monachus Weissenburgensis, so Anno 875. gelebt hat: Item / Jacobus Nevisus der Rechten Doctor, Jod. Ludovicus Decius, Königlich Polnischer Secretarius, der lib. 3. de vetustate Polonorum dieser Stadt Gelegenheit insonderheit beschreibet: Item / Johann Gugler / Theologiae, Jurisprudentiae et Medicinae Doctor, und viel andere gelehrte Leut mehr. Anno 1469. und 70. hat diese Stadt mit Pfaltz-Graff Friderico Victorioso Krieg geführet / welcher daher entstanden. Es hatten die Mönch in der Fürstlichen Abtey allhie sehr ärgerlich gelebt / das Kloster mit zwantzig tausend Gülden Schulden beschwärt / fast alles verpfändet / und vereussert: deßwegen sich jetzgemeldter Pfaltz-Graff / nach empfangener Commission vom Pabst / und auch / als ein Land-Vogt im Elsaß über diese Stadt / so neben andern / in die Land-Vogtey Hagenau gehört / deß Handels angenommen / und zween Aebt anderswoher nach Weissenburg hat kommen lassen / das Kloster zu reformieren. Der Stadt Raht war es zufrieden. Und als man der Reformation einen Anfang machen wolte / und ein Doctor Theologiae, und Professor zu Heydelberg / auff der Cantzel allhie zu Weissenburg predigte / siehe / da fängt der gemeine Mann einen Tumult an / und schreyet / hinweg mit den neuen Mönchen / so andere vom Adel vertreiben wollen / man sol die gründige Schelmen todt schlagen. Die Reformatores waren erschrocken: doch hat der Raht das Volck gestillet / daß man mit der Refomation fortgefahren / und / nach dem die alte Mönch darvon gelauffen / die Neue eingesetzt. Ein Jahr hernach haben die Bürger zu Weissenburg / so vorhin Chur-Pfaltz geschworen hatten / sie wolten den neu eingesetzten Abt / mit seinen [67] neuen Mönchen / schützen und handhaben / dieselbe wieder außgejagt / und die vorige zu Nachts in Weibs-Kleydern wieder eingelassen / auch andere deß Pfaltz-Graffen Feind beherberget / und seinen Vicedom daselbst gefangen / beraubt / und zum höchsten geschmähet: deßwegen er / der Pfaltz-Graff / die Stadt den gantzen Winter über belägert hat. Käyser Fridericus IV. thäte ihn / dieser / und voriger Ursachen wegen / in die Acht / nahm ihm die Land-Vogtey / und verordnete Pfaltz-Graff Ludwigen den Schwartzen von Zweybrück und Veldentz / zum Reichs-Haupt-Mann / und Vicario im Elsatz: Aber der Pfaltz-Graff fuhr fort / und da er seinen Vettern / den von Zweybrücken / gedemühtiget / und ihme viel Orth abgenommen / da haben die Weissenburger die alte verthunliche Mönch wieder außgejagt / und Neue wieder eingenommen: darbey es verblieben. Anno 1552. hat die Stadt in dem Krieg Käysers Caroli V. und Königs Henrici II. auß Franckreich / auch etwas Schaden gelitten. Anno 1632. ist sie Anfangs von den Käyserischen / hernach von den Schwedischen / folgends auch von den Frantzosen / und dann wieder von den Käyserischen: In gleichem Anno 1639. im Augusto, erstlich von den Weymarischen / und dann wieder von den Käyserischen eingenommen worden. Daß sie also diesen jetzigen Krieg wol erfahren hat. Besiehe Munsterum in Cosmographia Hetzogs Bernharden / von hinnen bürtig / durch das gantze zehende Buch seiner Elsasser Chronick / Michael Heberern in der Egyptischen Dienstbarkeit / Bruschium in Chronolog. Monaster. Germaniae, et Relationes Historicas. Ihr Monatlich Einfacher Reichs-Anschlag ist / 112. fl. zu Underhaltung deß Kammer-Gerichts zu Speyer / Jährlich / wie ich gelesen / 93. fl. 21. Kreutzer / 2. Heller. Was Ihr Regierung anbetrifft / so gehört / in hochwichtigen Sachen / so sich under den Bürgern / auch andern in der Stadt zutragen / die Straff E. E. Rahts zu. So werden die Rotweilische Remissiones vor Rath verrichtet / und geht gleich vom Raht / in solchen Sachen / die Appellation, ans Kammer-Gericht. Der Raht wird besetzt von den Haußgenossen / das nändt man den alten Rath / darauß werden die Bürgermeister erwöhlt / deren Regieren alle Jahr 4. jedes Quatember einer / und sein derselben acht. Sonsten werden von den Zünfften / und Handwerckern 14. erwöhlet. Es gehen aber Jährlich nicht mehr / dann sieben von Ihnen in den Raht / deren einer jedem Bürgermeister in der Regierung zugeordnet wird / so man die Marschalck nennet. Und bestehet auß solchen 14. das Staffel-Gericht / und werden auß Ihnen die jenige genommen / so den Raht nicht besitzen / sondern Außgänger seyn. Wann einer das Gericht zu besitzen sich weigert / der muß sein Bürger-Recht auffkünden / dasselbe dreyfach erlegen / und in 2. oder 3. Monaten die Stadt meiden / hernach wiederümb ümb das Bürger-Recht ansuchen. Siehe viel / und offtangezognen Hertzogen / von hinnen büetig / libr. 10. Chron. capit. 1. und daselbst auch die Namen der Ritter / Mann- und Haußgenossen / so in deß Herren Probst allhie Kammer etliche Ritter-Gericht besessen haben. Item / cap. 3. von dem erhabenen Stein / in der Stifft-Kirchen- darunder ein Kindlein ligt / welches die Juden gemartert haben sollen: und von andern Klöstern / und Geistlichen Häusern in der Stadt / als der Prediger / Barfüsser / Augustiner / und andern; Item / dem Teutschen-Hauß / (so der vier Kammer-Häuser deß Ordens eines ist / deren eines ein Teutscher-Meister / wann Er im Orden der Regierung nicht mehr vorstehen kan / zu seiner Wohn- und Underhaltung zuerwöhlen macht haben solle /) und dem Johanniter-Hoff in der Stadt / sein 4. Cap. dann ferners von den Stad-Vögten / und Schultheissen / das 5. und 6. von den Hauß- und Müntz-Genossen allhie / (in deren Häuser / auff etliche Wochen / für die Schuldner / Balger / etc. Freyung ist /) das 7. und dann von den Alten Adelichen / auch Bürgerlichen Geschlechten allda / ümbs Jahr 1592. als der Schilling / Artzt / Kannengießer[2] / Jungen / Stabhel / Metzger / Nefen / Hellwigen / Possen / Hütter / Brettenacker / Keller / Schmaltzen / Harsten / Helffanten / Trautwein / Reinfarten / Spitler / Moterer / Scheyden / Chunen / Hertzogen / Steurnagel / Metzler / Schwartzerden (darauß Philippus Melanchton entsprungen /) und anderer vielmehr / auch von ihren Stammen / und Wappen / das 11. Capitul deß besagten 10. Buchs; und was Anno 1525. in der Bauren Auffruhr / als diese Stadt / von Chur-Fürst Ludwigen / Pfaltz-Graffen / belägert worden /dieselbe vor einen Vergleich eingehen müssen / den besagten Hertzog / cap. 9. In der Anno 1650. zu Nürnberg gemachten designatione Restituendorum, stehet; Weissenburg am Rhein / Contra Capitula SS. Petri, et Stephani, wegen der Pfarr-Herren Underhaltung.

Was das mächtige / und reiche Kloster allhie anbelangt / ist solches Anno Christi 624. den 11. Maii, gestifftet worden. Der 45. Abbt war Edelinus, der Anno 1293. gestorben / zuvor aber die Stadt Weissenburg mit Gräben / und Bollwerck / ümbfangen hat. Anno 1523. ward solche Abbtey / zu einer Probstey gemacht / und Anno 1546. dem Stifft Speyer incorporirt: Siehe die Verzeichnüß der gewesenen Aebbte / und Pröbste allhie / beym obgedachten Hertzog / dicto libr. 10. capit. 3. Der erste Abbt hiesse Principius, und der letzte Rudigerus, so folgends der Erste Probst worden; der auch zu wegen gebracht / daß die obbeschriebne Abbtey zu S. Waldburg / oder Walpurg / in dem Hagenauer-Forst gelegen / nach absterben Bartholomaei Holrigels / deß letzten Abbts daselbsten / dieser Probstey Weissenburg einverleibt worden. Er Rudigerus starb Anno[3] 1545. nach dem Er / 45. Jahr Regieret / und viel Unruhen / wie Hertzog sagt / mit der Stadt Weissenburg angefangen hatte. Ihme hat Herr Philippus von Flerßheim / Bischoff zu Speyer / in der Probstey allhie Succedirt, so Anno 1557. gestorben. Und ist / von solcher Zeit an / allezeit ein Bischoff zu Speyer / auch ein Probst zu Weissenburg gewesen. [68] Es hat gleichwol die Probstey ihren Reichs-Anschlag noch besonders / nämblich alle Monat 2. zu Roß / 14. zu Fuß / oder 80. fl. an Geld; und / zu Underhaltung deß Kammer-Gerichts Jährlich 58. fl. 21. Kr. 5. Heller / den Thaler zu 69. Kreutzer gerechnet; wie auch ich gefunden. Was der nächst verstorbne Herr Chur-Fürst von Trier / und Bischoff von Speyer / bey den vorgewesten General Friedens-Tractaten, zu Münster / und Oßnabruck / seines Stiffts Speyer / und dieser demselben incorporirter Probstey Weissenburg halber / die beyde Reichs-Städte Weissenburg / und Landau / betreffende / anbringen lassen; davon siehe oben Landau.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Im Original uud
  2. WS: In der Vorlage: Kantengießer
  3. WS: Im Original Annn