Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse der Landesbeamten in den Schutzgebieten

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Titel: Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse der Landesbeamten in den Schutzgebieten.
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Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1896, Nr. 28, Seite 691–694
Fassung vom: 9. August 1896
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 14. August 1896
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(Nr. 2333.) Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse der Landesbeamten in den Schutzgebieten. Vom 9. August 1896.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs für die Schutzgebiete, was folgt:

Artikel 1.

Das Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, vom 31. März 1873 (Reichs-Gesetzbl. S. 61) nebst dem dasselbe abändernden Gesetze vom 21. April 1886 (Reichs-Gesetzbl. S. 80), sowie das Gesetz, betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Reichsbeamten der Civilverwaltung, vom 20. April 1881 (Reichs-Gesetzbl. S. 85) nebst dem Abänderungsgesetze vom 5. März 1888 (Reichs-Gesetzbl. S. 65) und das Gesetz, betreffend die Zurückbeförderung der Hinterbliebenen im Auslande angestellter Reichsbeamten und Personen des Soldatenstandes, vom 1. April 1888 (Reichs-Gesetzbl. S. 131) finden, soweit nicht in den nachfolgenden Artikeln ein Anderes bestimmt ist, auf die Rechtsverhältnisse der Beamten, welche ihr Diensteinkommen aus den Fonds eines Schutzgebietes beziehen, mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß wo in jenen Gesetzen von dem Reich, dem Reichsdienst, den Reichsfonds oder anderen Einrichtungen des Reichs die Rede ist, das betreffende Schutzgebiet und dessen entsprechende Einrichtungen zu verstehen sind.

Artikel 2.

Im Falle des §. 66 Absatz 1 des Gesetzes vom 31. März 1873 erfolgt die Entscheidung über die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand durch den Kaiser.

Artikel 3.

Die Befugnisse, welche nach den im Artikel 1 bezeichneten Gesetzen der obersten Reichsbehörde zustehen, werden, soweit nicht durch diese Verordnung ein Anderes bestimmt ist, durch den Reichskanzler ausgeübt. [692]
Imgleichen erfolgen die in §. 5 Absatz 1, §§. 18, 39, 52 und §. 68 Absatz 2 des Gesetzes vom 31. März 1873, sowie im §. 1 des Gesetzes vom 31. Mai 1887 vorgesehenen Bestimmungen und Entscheidungen ausschließlich durch den Reichskanzler.
Die nach §. 66 Absatz 2 des Gesetzes vom 31. März 1873 von dem Reichskanzler zu treffende Entscheidung ist endgültig.

Artikel 4.

Die Gouverneure und Landeshauptleute sowie in Deutsch-Ostafrika der Abtheilungschef für die Finanzverwaltung und der Oberrichter erhalten eine Kaiserliche Bestallung. Die übrigen Beamten werden im Namen des Kaisers durch den Reichskanzler angestellt, welcher diese Befugniß, soweit es sich um mittlere und untere Beamte handelt, den Gouverneuren oder Landeshauptleuten übertragen kann.

Artikel 5.

Die Vorschriften über den Urlaub der Beamten und deren Stellvertretung, über die Tagegelder und Umzugskosten, sowie über die Verpflichtung zur Theilnahme an den Kasino- und Messe-Einrichtungen werden vom Reichskanzler erlassen. Der Reichskanzler bestimmt auch, inwieweit bei längerem Urlaub, in Krankheits- und sonstigen Abwesenheitsfällen das Gehalt ganz oder zum Theil einzubehalten ist.

Artikel 6.

Die in den Schutzgebieten zugebrachte Dienstzeit wird bei der Pensionirung doppelt in Anrechnung gebracht, sofern sie mindestens ein Jahr gedauert hat.
Für die von dem Beamten erworbenen Pensions- und Reliktenansprüche bleibt das Schutzgebiet nur insoweit verpflichtet, als dem Beamten nicht aus Reichs-, Staats- oder Kommunalfonds ein Diensteinkommen oder Pensions- und Reliktenansprüche in gleichem oder höherem Betrage zustehen.
Ein Beamter, welcher nicht mehr zum Tropendienst fähig ist, geht der im Dienst des Schutzgebietes erworbenen Pensions- und Reliktenansprüche verlustig, sofern er die Uebernahme einer Stelle im Reichs-, Staats- oder Kommunaldienst ablehnt, deren Diensteinkommen das im Schutzgebiete zuständige persönliche pensionsberechtigende Gehalt erreicht oder übersteigt. Das Gleiche gilt, sofern er das Anerbieten, ihn unter Wahrung seines früheren Ranges und Dienstalters in den Reichs-, Staats- oder Kommunaldienst wieder aufzunehmen, ablehnt.

Artikel 7.

Der Reichskanzler bestimmt, inwieweit einem in den Ruhestand oder in den einstweiligen Ruhestand versetzten Beamten die Kosten des Umzuges nach dem innerhalb des Reichs von demselben gewählten Wohnorte zu gewähren sind. [693]

Artikel 8.

Die §§. 80 bis 83 des Gesetzes vom 31. März 1873 finden auf die Beamten mit folgenden Maßgaben Anwendung:
1. Die Befugniß, in Gemäßheit des §. 81 Nr. 1 a. a. O. Geldstrafen bis zum höchsten zulässigen Betrage zu verhängen, steht auch den Gouverneuren und Landeshauptleuten gegenüber den ihnen unterstellten Beamten zu.
2. Den Bezirksamtmännern sowie in Ostafrika dem Chef der Finanzverwaltung und dem Zolldirektor steht die Befugniß zu, Geldstrafen bis zum Betrage von dreißig Mark gegen die ihnen unterstellten Beamten zu verhängen.
3. Gegen richterliche Beamte können Ordnungsstrafen nur vom Reichskanzler verhängt werden.

Artikel 9.

Die im §. 85 Absatz 2 des Gesetzes vom 31. März 1873 bezeichneten vorläufigen Maßregeln können von den im vorhergehenden Artikel unter Nr. 1 und 2 genannten Beamten getroffen werden.
Die §§. 86 bis 93 und 120 bis 123 desselben Gesetzes bleiben außer Anwendung.
Die entscheidenden Disziplinarbehörden, welche je nach Bedürfniß zusammentreten, sind in erster Instanz die Disziplinarkammer für die Schutzgebiete, in zweiter Instanz der Disziplinarhof für die Schutzgebiete, beide mit dem Sitze in Berlin.
Die Disziplinarkammer entscheidet in der Besetzung von fünf, der Disziplinarhof in der Besetzung von sieben Mitgliedern. Bei ersterer müssen der Vorsitzende und wenigstens zwei Beisitzer, bei letzterem der Vorsitzende und wenigstens drei Beisitzer in richterlicher Stellung in einem Bundesstaate sein.
Die Mitglieder der Disziplinarkammer und des Disziplinarhofes werden für die Dauer der zur Zeit ihrer Ernennung von ihnen bekleideten Reichs- oder Staatsämter vom Kaiser ernannt, sie werden für die Erfüllung der Obliegenheiten ihres Amtes verpflichtet. In gleicher Weise werden für die Disziplinarkammer zwei und für den Disziplinarhof vier stellvertretende Mitglieder ernannt.
Die Geschäftsordnung bei den Disziplinarbehörden wird durch ein Regulativ bestimmt, welches der Disziplinarhof zu entwerfen und dem Reichskanzler zur Bestätigung einzureichen hat.

Artikel 10.

Die im §. 127, §. 128 Absatz 2, §. 131 des Gesetzes vom 31. März 1873 der obersten Reichsbehörde übertragenen Befugnisse werden gegenüber den Beamten, welche eine Kaiserliche Bestallung erhalten haben, vom Reichskanzler, gegenüber den Bezirksrichtern in Ostafrika vom Oberrichter, gegenüber den übrigen Beamten [694] vom Gouverneur oder Landeshauptmann ausgeübt. Gegen die Entscheidung des Gouverneurs, Landeshauptmanns oder Oberrichters findet Beschwerde an den Reichskanzler statt. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

Artikel 11.

Diejenigen Beamten, welche eine Kaiserliche Bestallung erhalten haben, können durch Kaiserliche Verfügung, die übrigen Beamten, welche eine in den Besoldungsetats aufgeführte Stelle bekleiden, durch Verfügung des Reichskanzlers jederzeit mit Gewährung des gesetzlichen Wartegeldes in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.
Im Falle des §. 37 Satz 2 des Gesetzes vom 31. März 1873 kann eine Pension auch auf bestimmte Zeit bewilligt werden.

Artikel 12.

Die Verordnungen vom 3. August 1888, betreffend die Rechtsverhältnisse der Landesbeamten in den Schutzgebieten von Kamerun und Togo, und vom 22. April 1894, betreffend die Rechtsverhältnisse der Landesbeamten in Deutsch-Ostafrika, treten außer Kraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Wilhelmshöhe, den 9. August 1896.
(L. S.)  Wilhelm.

  Fürst zu Hohenlohe.