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Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen/VI. Hauptstück

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V. Hauptstück Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen (1752) von Johann Joachim Quantz
VI. Hauptstück
VII. Hauptstück


[61]
Das VI. Hauptstück.
Vom Gebrauche der Zunge, bey dem Blasen auf der Flöte.


1. §.

Die Zunge ist eigentlich das Mittel, wodurch die Töne auf der Flöte lebhaft vorgetragen werden können. Sie ist zur musikalischen Aussprache höchst nöthig; und verrichtet eben das, was der Bogenstrich bey der Violine thut. Es unterscheidet sich dadurch ein Flötenspieler von dem andern: so daß, wenn ihrer etliche ein Stück wechselsweise spielen, man dasselbe, wegen des unterschiedenen Vortrages, öfters kaum mehr kennen kann. Dieses rühret nun mehrentheils vom rechten oder unrechten Gebrauche der Zunge her. Es ist wahr, daß auch an den Fingern viel gelegen ist. Sie sind nicht nur nöthig, um die Höhe oder Tiefe jedes Tones zu bestimmen, und die Intervalle von einander zu unterscheiden; sondern auch, um jeder Note ihre gehörige Zeit zu geben. Sie können aber doch der Lebhaftigkeit des Vortrages nicht so behülflich seyn, als es die Zunge ist. Denn diese muß den Ausdruck der Leidenschaften, in allen Stücken, er mag prächtig oder traurig, lustig oder annehmlich, oder wie er sonst wolle, seyn, beleben.

2. §.

Um nun vermittelst der Zunge, und des durch dieselbe ausgestoßenen Windes, den Ton in der Flöte recht zur Ansprache zu bringen, muß man, nach Beschaffenheit der zu spielenden Noten, in währendem Blasen gleichsam gewisse Sylben aussprechen. Diese Sylben sind von dreyerley Art. Die eine ist: ti oder di; die andere: tiri; und die dritte: did’ll. [62] Die letztere Art pfleget man die Doppelzunge zu nennen, so wie hingegen die erstere Art: die einfache Zunge genennet wird. Von jeder Art, sowohl wie sie zu erlernen, als zu gebrauchen ist, soll in einem besondern Abschnitte gehandelt werden. Und weil der Gebrauch der Zunge auf dem Hoboe und dem Basson, mit dem auf der Flöte viel gemein hat; so will ich, zum Nutzen derer, welche die genannten Instrumente spielen, in einem Anhange zeigen, wie sie die Zunge dabey zu gebrauchen, und was sie sonst noch besonders zu bemerken haben.



Des VI. Hauptstücks
I. Abschnitt.
Vom Gebrauche der Zunge mit der Sylbe: ti oder di.


1. §.

Weil einige Noten hart, andere hingegen weich angestoßen werden müssen: so ist zu merken, daß bey kurzen, gleichen, lebhaften, und geschwinden Noten, das ti gebrauchet wird. Bey langsamen, auch wohl lustigen, doch dabey annehmlichen und unterhaltenen Melodien hingegen, muß man das di brauchen. Im Adagio brauchet man allezeit das di; ausgenommen bey punctirten Noten, zu welchen das ti nöthig ist. Diejenigen so der Obersächsischen Mundart gewohnt sind, haben sich hierbey besonders in Acht zu nehmen, um das t und d nicht mit einander zu vermengen.


2. §.

Man nennet das ti einen Zungenstoß. Um diesen zu machen, muß man die Zunge, an beyden Seiten fest an den Gaumen drücken, und die Spitze derselben krumm, und in die Höhe, vorn nahe bey den Zähnen anlegen: damit der Wind aufgehalten oder gespannet werde. Wenn nun der Ton angegeben werden soll; so zieht man nur die Spitze der Zunge vorn vom Gaumen weg; der hintere Theil der Zunge aber bleibt [66] am Gaumen: und durch dieses Wegziehen geschieht der Stoß vom aufgehaltenen Winde; nicht aber durch das Stoßen der Zunge selbst, wie viele irrig glauben.


3. §.

Einige haben die Art, daß sie die Zunge zwischen die Lippen setzen, und den Stoß durch das Zurückziehen derselben machen. Dieses halte ich für falsch. Denn dadurch wird, besonders in der Tiefe, der dicke, runde, und männliche Ton verhindert: die Zunge muß auch eine allzuweitläuftige Bewegung, vor- oder rückwärts, machen; welches an der Geschwindigkeit hinderlich ist.


4. §.

Um einem jeden Tone, von der Tiefe bis in die Höhe seinen gehörigen Ausdruck zu geben, muß man mit dem Zungenstoße, eben so, wie mit den Lippen und dem Kinne verfahren, nämlich: wenn man von dem tiefsten Tone an, die Töne nach der Reihe bis an die hohen spielet; muß man, bey dem tiefsten, die Zunge um einen guten Daumen breit von den Zähnen rückwärts, krumm an den Gaumen setzen; den Mund weit auseinander dehnen; und bey einem jeden höhern Tone, mit der Zunge immer ein wenig mehr vorwärts an den Gaumen stoßen; auch den Mund immer enger zusammen drücken. Dieses setze man fort, bis in das höchste H, allwo die Zunge ganz nahe an die Zähne kommt. Von dem höchsten C aber an, muß man mit der Zunge nicht mehr krumm, sondern gerade, zwischen den Zähnen an die Lippen stoßen. Man versuche das Gegentheil, und ziehe die Zunge bey dem höchsten Tone weit zurück; oder stoße mit derselben bey dem tiefsten Tone zwischen die Zähne: so wird man finden, daß die Höhe pfuschend klingt, auch nicht gut anspricht; die Tiefe hingegen schwach und dünne wird.


5. §.

Will man die Noten sehr kurz machen; so muß man das ti gebrauchen, da die Spitze der Zunge gleich wieder an den Gaumen zurück springen muß; um den Wind aufs neue zu spannen. Man kann dieses am besten merken, wenn man, ohne zu blasen, etliche ti ti ti ti geschwind hinter einander ausspricht.


6. §.

Bey langsamen und unterhaltenen (nourissanten) Noten, darf der Stoß nicht hart seyn: weswegen man alsdenn das di anstatt des ti brauchet. Hierbey ist zu merken, daß, so wie bey dem ti die Spitze [67] der Zunge gleich wieder an den Gaumen springt; dieselbe hingegen, bey dem di, mitten im Munde frey bleiben muß: damit der Wind nicht verhindert werde, den Ton zu unterhalten.

7. §.

Wenn die Achttheile im Allegro Sprünge ausmachen, so haben sie ti. Folgen aber andere Noten daraus, welche stufenweise aus- oder niederwärts gehen; sie mögen aus Achttheilen, Viertheilen, oder weißen Noten bestehen: so wird das dt gebrauchet, s. Tab. III. Fig. 1. Stehen Striche über den Viertheilen: so bleibt das ti. s. Tab. III. Fig. 2. Findet sich ein Vorschlag bey einer Note, so wird derselbe mit eben der Art Zunge gestoßen, wie die vorhergehenden Noten; sie mögen hart oder weich seyn. s. Tab. III. Fig. 3. und 4.

8. §.

Es ist eine allgemeine Regel, daß zwischen dem Vorschlage, und der Note die vor ihm hergeht, ein kleiner Unterschied seyn müsse; absonderlich wenn beyde Noten auf einerley Tone stehen: damit man den Vorschlag deutlich hören könne. Die Zunge muß also nach Anstoßung der vorhergehenden Note, gleich wieder an den Gaumen springen; wodurch der Wind aufgehalten, die Note kürzer, und also der Vorschlag deutlicher wird.

9. §.

Bey geschwinden Passagien thut die einfache Zunge keine gute Wirkung, weil die Noten dadurch alle einander gleich werden; welche doch, dem guten Geschmacke gemäß, etwas ungleich sehn müßen. s. XI. Hauptst. 11. §. Man kann sich also dabey der zwo andern Arten des Zungengebrauchs bedienen, nämlich des tiri zu punctirten Noten, und zu Passagien von mäßiger Geschwindigkeit; des did’ll aber zu sehr geschwinden Passagien.

10. §.

Nicht alle Noten dürfen mit der Zunge gestoßen werden: sondern wenn ein Bogen über zwo oder mehr Noten steht; so muß man dieselben schleifen. Es ist demnach zu merken, daß nur die Note, bey welcher der Bogen anfängt, gestoßen werden muß: die übrigen aber, die sich unter dem Bogen befinden, werden an dieselbe geschleifet; wobey alsdenn die Zunge nichts zu thun hat. Es wird auch, ordentlicher Weise, bey schleifenden Noten nicht ti sondern di gebrauchet, s. Tab. III. Fig. 5. Steht aber ein Strich über der vor dem Bogen hergehenden Note; [66] so bekömmt sowohl dieselbe, als auch die folgenden: ti, s. Fig. 6. Wenn der Bogen bey der zweyten Note anfängt, und die im Niederschlage an die im Aufheben geschleifet wird; so spiele man dieselben wie bey Fig. 7. zu sehen ist. Geschieht dieses aber im geschwinden Zeitmaaße; so nimmt man ti anstatt di.


11. §.

Wenn über Noten die aus einerley Tone stehen, ein Bogen befindlich ist, s. Fig. 8; so müßen selbige durch das Hauchen, mit Bewegung der Brust, ausgedrücket werden. Stehen aber über solchen Noten zugleich Puncte, s. Fig. 9; so müssen diese Noten viel schärfer ausgedrücket, und so zu sagen mit der Brust gestoßen werden.


12. §.

Es ist nicht wohl möglich, weder den Unterschied zwischen ti und di, von welchem doch der Ausdruck der Leidenschaften ziemlichen Theils abhängt; noch die vielerley Arten des Zungenstoßes, mit Worten völlig zu bestimmen. Inzwischen wird doch die eigene Ueberlegung einen jeden überzeugen, daß, so wie zwischen schwarz und weiß sich noch verschiedene Zwischenfarben befinden; also auch zwischen hart und weich, mehr als ein Grad der Mäßigung statt finden müsse. Folglich kann man auch mit der Zunge das ti und di auf vielerley Arten ausdrücken. Es kömmt nur darauf an, daß man suche die Zunge geschikt genug zu machen, um die Noten, nach ihrer Beschaffenheit, bald härter, bald weicher stoßen zu können: welches sowohl durch das geschwindere oder langsamere Wegziehen der Zunge vom Gaumen; als durch das stärkere oder schwächere Blasen des Windes gewirket wird.


13. §.

An einem großen Orte, wo es schallet, und die Zuhörer weit entfernet sind, muß man die Noten, mit der Zunge, überhaupt mehr und schärfer markiren, als an einem kleinen Orte; besonders wenn etliche Noten aus einerley Tone vorkommen: sonst klingen dieselben als wenn sie nur mit der Brust gehauchet würden.




[67]
Des VI. Hauptstücks
II. Abschnitt.
Vom Gebrauche der Zunge mit dem Wörtchen: tiri.


1. §.

Diese Art hat bey Paßagien von mäßiger Geschwindigkeit ihren guten Nutzen: besonders weil dabey die geschwindesten Noten allezeit etwas ungleich gespielet werden müssen. s. XI. Hauptst. 11. §.

2. §.

Wie die Sylbe ti mit der Zunge auszudrücken sey, habe ich bereits im vorigen Abschnitte gezeiget. Bey der Art wovon hier gehandelt wird, kommt noch das ri dazu. Man muß suchen den Buchstaben r recht scharf auszusprechen. Dieses thut im Gehöre eben die Wirkung, als wenn man bey der einfachen Zunge das di brauchet: ob es gleich demjenigen der selbst spielet, nicht so vorkömmt.

3. §.

Bey Noten mit Puncten ist dieses tiri unentbehrlich; denn es drücket die punctirten Noten viel schärfer und lebhafter aus, als keine andere Art des Zungengebrauches vermögend ist.

4. §.

Bey diesem Wörtchen tiri fällt der Accent auf die letzte Sylbe, das ti ist kurz, und das ri lang. Das ri muß also allezeit zu der Note im Niederschlage gebrauchet werden: das ti aber zu der Note im Aufheben. Das ri kommt also in vier Sechzehntheilen allezeit zu der ersten und dritten; das ti aber zu der zweyten und vierten Note.

5. §.

Da man aber niemals mit ri anfangen kann; so muß man die ersten zwo Noten mit ti stoßen. Bey den übrigen von dieser Art Noten fährt man mit tiri fort, bis eine Veränderung,[WS 1] entweder in Noten, oder durch Pausen geschieht. Folgende Exempel werden zeigen, wie diese Art Noten [67] mit mit der Zunge ausgesprochen werden müssen, s. Tab. III. Fig. 10. 11. und 12. Wenn anstatt der ersten Note eine Pause steht, wie bey dem letzten dieser Exempel zu ersehen ist, so setzet man das tiri fort. Da aber hier bey dem zweyten Viertheile die Puncte aufhören, und die zwo dreygeschwänzten Noten: E, F, im Aufheben kommen: so hat eine jede ti. Das folgende G im Niederschlage hat ri; und weil selbiges keinen Punct neben sich hat, und also mit dem folgenden F gleich ist: so bekömmt das folgende mit dem Puncte ti anstatt ri.


6. §.

Im Tripeltacte hat es gleiche Bewandniß, s. Tab. III. Fig. 13. und 14. Wenn im 3/4, 3/8, 6/8, 9/8, oder 12/8 Tacte, in einer Figur von drey Noten, die erste einen Punct hinter sich hat, wie solches in Giquen vorkömmt: so haben die zwo ersten Noten ti, und die letzte ri, s. Tab. III. Fig. 15. 16. 17. und 18.


7. §.

Bey Noten ohne Punct kann, anstatt des ti,, das di gebrauchet werden. Denn in Passagien erlaubet die Geschwindigkeit nicht das ti auszusprechen: es würde ferner dem Gehöre unangenehm fallen: und endlich würden auch die Noten allzuungleich werden. Doch behält die erste allezeit ti, und die übrigen diri. Folgen auf Sechzehntheile springende Achttheile; so brauche man ti: und bey denen die stufenweise gehen, di; s. Fig. 19. und 20.


8. §.

Würde erfodert daß die Passagien geschwinder gespielet werden müßten, als man das diri aussprechen kann: so muß man entweder die dritte und vierte, oder die erste und zweyte schleifen, s. Fig. 21. und 22. Die letztere Art, wo die erste und vierte Note ti, die dritte aber ri hat, ist am meisten anzupreisen: weil man dieselbe bey verschiedenen Arten der Passagien, sowohl in springenden als gehenden Noten brauchen kann. Durch das Schleifen der zweyten Note erholet sich auch die Zunge; und kann, ohne sich zu ermüden, desto länger ausdauern: da sie hingegen bey der Art, wo man das diri beständig fortsetzet, bald müde, und an der Geschwindigkeit verhindert wird. Man sehe hiervon die Beyspiele Tab. III. Fig. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29.


9. §.

Die letzte Art bey Fig. 29. ist im Tripeltacte zur Geschwindigkeit die bequemste; doch muß man sich überhaupt nach den springenden Noten [68] richten. Wenn auf eine Note zwo geschwindere folgen; so können die zwo ersten di, und die dritte ri haben. Eben so verhält es sich mit drey gleichen Achttheilen, oder Triolen. s. Tab. III. Fig. 30. 31. 32. 33. und 34.




Des VI. Hauptstücks
III. Abschnitt.
Vom Gebrauche der Zunge mit dem Wörtchen:
did’ll, oder der sogenannten Doppelzunge.


1. §.

Die Doppelzunge wird nur zu den allergeschwindesten Passagien gebrauchet. So leicht sie so wohl mündlich gezeiget, als durch das Gehör begriffen werden kann: so schwer fällt es, sie schriftlich zu lehren. Das Wörtchen did’ll, welches man dabey ausspricht, sollte aus zwo Sylben bestehen. In der zweyten ist aber kein Selbstlauter: also kann sie weder didel noch dili, sondern nur did’ll genennet werden; wobey man den Selbstlauter, der in der zweyten Sylbe stehen sollte, verbeißet. Dieses d’ll aber kann mit der Spitze der Zunge nicht ausgesprochen werden, wie das di.

2. §.

Wie das di gemachet werden müsse, habe ich im ersten Abschnitte dieses Hauptstücks gezeiget. Ich beziehe mich also hier darauf. Will man nun das did’ll aussprechen; so sage man erstlich di: und indem die Spitze der Zunge vorn an den Gaumen springt, so ziehe man geschwind die Mitte der Zunge, auf beyden Seiten, ein wenig vom Gaumen niederwärts ab: damit der Wind, auf beyden Seiten, die Quere zwischen den Zähnen heraus gehe. Dieses Wegziehen wird also den Stoß der zweyten Sylbe d’ll geben; welche man aber, ohne das vorhergehende di, niemals allein auszusprechen vermag. Man spreche hierauf dieses did’ll [69] etlichemal geschwind hinter einander aus; so wird man besser hören, wie es klingen soll, als ich es schriftlich ausdrücken kann.


3. §.

Im Gebrauche ist das did’ll das Gegentheil vom tiri. Denn so wie der Accent bey tiri auf der zweyten Sylbe liegt; so fällt derselbe bey did’ll auf die erste, und kömmt allezeit auf die Note im Niederschlage, oder auf die sogenannte gute Note.


4. §.

Will man dieses did’ll ausüben lernen; so ist nöthig, daß man anfänglich etliche Noten auf einerley Tone spiele; ohne Bewegung der Finger; und zwar in der Mitte der Tonleiter; denn diese Art der Zunge will beym Anfange, dem Tone, oder dem Ansatze etwas hinderlich seyn. Folgender Noten kann man sich Anfangs bedienen: und wird das did’ll in währendem Blasen so ausgesprochen, wie es sich unter den Noten befindet, s. Tab. IV. Fig. 1. Dieses Exempel übe man so lange, bis man es durch alle Töne, deutlich machen kann. Hierauf setze man noch ein paar Noten zu, s., Tab. IV. Fig. 2. Und wenn man diese recht in Uebung gebracht hat; so nehme man einige Noten stufenweise, s. Fig. 3. 4. 5. und 6.


5. §.

Hierbey muß man sehr wohl Acht haben, daß die Zunge nicht geschwinder gehe als die Finger: welches Anfangs mehrentheils zu geschehen pfleget. Man muß vielmehr suchen, die erste Note mit di allezeit ein wenig anzuhalten, die zweyte mit d’ll hingegen, etwas kürzer zu machen. Denn durch das geschwinde Wegziehen der Zunge, bekömmt, das d’ll einen schärfern Stoß.


6. §.

Ich hoffe daß zu Erlernung dieser Zunge obige Beyspiele hinreichend seyn werden. Die folgenden sollen zeigen, wie man sich derselben bey allerhand Passagien bedienen könne.


7. §.

Wenn die Passagien in einerley Geltung der Noten, und ohne große Sprünge fortdauern: so behält die erste Note im Niederschlage allezeit di, und die zweyte d’ll, u. s. w. wie Fig. 7. ausweiset.


8. §.

Steht anstatt der ersten Note eine Pause; so müssen die zwo erstern [70] darauf folgenden Noten mit ti angestoßen werden. Die übrigen aber nehmen wieder di an, s. Fig. 8.


9. §.

Stehen die zwo erstern Noten auf einem Orte; so werden die drey erstern mit ti gestoßen. Sind es aber die zwo letztern; so wird die dritte mit di, und die vierte mit ti gestoßen, s. Fig. 9. und 10.


10. §.

Machet die letzte Note einen Sprung in die Höhe; so kann dieselbe auch mit ti gestoßen werden, s. Fig. 11.


11. §.

Wenn die erste der geschwinden Noten an eine vorhergehende lange gebunden ist, oder wenn an deren Stelle ein Punct steht, so muß man dieselbe mit der Brust hauchen, und anstatt di, hi sagen, s. Fig. 12. und 13. Man kann aber auch die beyden Noten nach dem Puncte mit ti anstoßen, s. Fig. 14.


12. §.

In den folgenden Exempeln will ich suchen, von denen Passagien, wo eine Veränderung der Zungen erfodert wird, die nöthigsten anzuführen. Weil aber unmöglich ist alle vorfallenden Passagien hierher zu setzen; so muß ich das übrige dem eigenen Nachsinnen eines jeden überlassen.


13. §.

Aus den Exempeln von der 15. bis zur 24. Figur der IV. Tabelle, und auf der V. Tab. von der 1. bis zu der 11. Figur, kann man sehen, daß entweder die weiten Sprünge in die Höhe, oder Tiefe, oder die Pausen, oder wenn zwo Noten auf einem Tone stehen, wo die Wiederholung des ti nöthig ist, die Ursache zur Veränderung der Zunge abgeben.


14. §.

Bey drey gleichen Noten, sie mögen entweder als Triolen, oder im Sechsachttheiltacte, und denen ihm ähnlichen Tactarten vorkommen, ist zu beobachten, daß die zwo erstern Noten allezeit did’ll, und die dritte di bekömmt: die Intervalle mögen auch seyn, wie sie wollen; s. Tab. V. Fig. 12. und 13. Machet aber die zweyte Note einen sehr großen Sprung in die Tiefe; so muß man der ersten: di, und den zwo letztern: did’ll geben, s. Fig. 14. Steht anstatt der ersten Note eine Pause; so giebt man den zwo folgenden Noten: did’ll, s. Fig. 15.

[71]
15. §.

Die erste Note einer jeden Figur, es mag diese aus drey, oder vier, oder sechs Noten bestehen, muß man allezeit ein klein wenig anhalten: um die Zunge mit den Fingern in gleicher Bewegung zu erhalten; damit jede Note ihr gehöriges Zeitmaaß bekomme.


16. §.

Die geschwinden Noten, deren viere, oder mehrere auf einerley Tone vorkommen, dienen zur Probe, ob man die Doppelzunge recht ausübe, das ist, ob die zweyte Note eben so scharf, als die erste, gestoßen werde. Fehlet es noch hieran; so kann man auch die rollenden Passagien nicht brillant und lebhaft genug vortragen.




Des VI. Hauptstücks
Anhang.
Einige Anmerkungen zum Gebrauche des Hoboe, und des Bassons.


1. §.

Weil der Hoboe und der Basson, wenn man die Fingerordnung und den Ansatz ausnimmt, in einigen Stücken mit der Flöte traversiere einerley Eigenschaft im Spielen haben: so können die, welche eines dieser beyden Instrumente handhaben, sich nicht nur diese Anweisung von dem Gebrauche der zweyerley Arten des Zungenstoßes mit ti und tiri; sondern auch überhaupt die ganze Lehre von der Flöte, so weit sie nicht die Fingerordnung, und den Ansatz betrift, zu Nutzen machen.


2. §.

Man bemerke nur, bey dem Zungenstoße mit ti, daß man, weil das Rohr zwischen die Lippen genommen wird, anstatt die Spitze der Zunge, wie bey der Flöte geschieht, krumm zu machen, und oben an den Gaumen zu drücken, die Zunge vielmehr gerade ausstrecken müsse. Mit der Spitze derselben machet man die Oeffnung des Rohres zu, um den [72] Wind zu spannen, oder aufzuhalten. Das Zurückziehen der Zunge aber verursachet ebenfalls den Stoß, so wie bey der Flöte.


3. §.

Der Bassonist hat vor dem Hoboisten noch diesen Vortheil, daß er auch die Doppelzunge mit did’ll, so wie der Flötenist, gebrauchen kann. Nur ist zu merken, daß auf dem Basson, die entferneten Sprünge von der Tiefe in die Höhe, nicht, wie auf der Flöte, geschleifet werden können: diejenigen ausgenommen, welche das ungestrichene C nicht überschreiten. Es müssen vielmehr die Töne, in welche man aus der untersten Octave springt, alle gestoßen werden. In der zweyten Octave, nämlich von dem ungestrichenen D an, kann man wohl noch einige springende Noten schleifen; doch müssen selbige auch nicht das ungestrichene A überschreiten: wofern es anders nicht durch ein besonders gutes Rohr, und sehr festen Ansatz bewerkstelliget werden kann.


4. §.

Was den Ton auf diesen beyden Instrumenten anbetrifft: so kömmt dabey vieles auf ein gut Rohr an; ob solches von gutem und reifem Holze gemachet ist; ob es sein gehöriges Gewölbe hat; ob es weder zu breit noch zu schmahl, weder zu lang noch zu kurz ist; ob es weder zu dicke noch zu dünne geschabet worden. Ist das Rohr vorn zu breit und zu lang; so werden die hohen Töne gegen die untersten zu tief: ist es aber zu schmahl und zu kurz; so werden dieselben zu hoch. Wenn nun gleich dieses alles wohl beobachtet worden ist; so liegt dem ungeachtet noch das meiste an den Lippen, und an der Art wie das Rohr zwischen dieselben genommen wird. Man muß die Lippen weder zu viel, noch zu wenig zwischen die Zähne einbeissen. Ist das erstere; so wird der Ton dumpfig: geschieht aber das letztere; so wird derselbe zu schmetternd und prallend.


5. §.

Einige, besonders die Bassonisten, haben die Art, daß sie das Rohr etwas schief zwischen die Lippen nehmen; um die hohen Töne desto leichter zu haben. Dieses verursachet aber nicht allein einen schlechten und pfuschenden Ton; sondern es machet auch, daß man das unangenehme Pfeifen des Windes, welcher an der Seite des Rohres heraus geht, öfters von weitem hören kann. Es ist also viel besser, daß man das Rohr ganz platt zwischen die Lippen nehme: um einen schwebenden und angenehmen Ton aus dem Instrumente zu ziehen.

[73]
6. §.

Bey Haltung dieser beyden Instrumente, muß man bedacht seyn, mit dem Leibe eine natürliche und gute Stellung zu machen. Die Arme halte man vom Leibe ab, und strecke sie vorwärts: damit man den Kopf nicht unterwärts hengen dürfe; als wodurch die Kehle zusammen gedrücket, und das Athemholen gehemmet wird. In einem Orchester muß der Hoboist sein Instrument, so viel möglich, in die Höhe halten. Denn wofern er dasselbe unter das Pulpet stecket; so verlieret sich die Stärke des Tones.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Veränderug
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