Wilhelm Löhes Leben (Band 3)/Grundbesitz und Ökonomie

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Wilhelm Löhes Leben (Band 3)
Der Betsaal »
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Grundbesitz und Ökonomie.


 Anfangs besaß die Anstalt an Grund und Boden nichts als den Acker von 5 Morgen und 38 Dezimalen, auf dem das Mutterhaus selbst sich erhob. Doch war es ein von Anfang an gehegter Wunsch ihrer Leiter, daß sich ihr Landbesitz vergrößern und sie allmählich so viel Grund und Boden zu ihrem Areal hinzu erwerben möchte, um ihr eigenes Brot bauen zu können. Allerdings bei der damals geringen Rentabilität des Landbaues in hiesiger Gegend,| bei dem Mangel eines Betriebskapitals und bei der Nötigung, der Anstalt bequem gelegene Grundstücke auch zu teuren Preisen zu kaufen, nur um sie nicht in die Hände unbequemer Nachbarn fallen oder den Raum zur eignen Ausdehnung sich schmälern lassen zu müßen, konnte man nicht hoffen, aus dem Betrieb der Landwirtschaft großen Nutzen zu ziehen. Ja, geraume Zeit hindurch empfand man sie wie eine Art notwendiges Übel, und doch war sie nicht zu entbehren, wenn man sich in Bezug auf den täglichen Milchbedarf und das Fuhrwesen nicht in völlige Abhängigkeit von der Dorfbewohnerschaft begeben wollte. Bezeichnend ist es, daß für den Entschluß die Ökonomie, sei es auch mit „einigem zeitlichen Nachteil“, zu halten, auch ein Barmherzigkeitsgrund maßgebend war, die Rücksicht nämlich auf gemütskranke Landleute, die in jener Zeit nicht selten geistleibliche Pflege in Dettelsau suchten, und denen man auf diese Weise die ihnen zuträglichste Beschäftigung im Freien zu verschaffen wünschte.

 Allmählich gieng es doch, wenn auch unter großer Mühsal vorwärts; es entstanden nach und nach die nötigen Wirtschaftsgebäude, unter anderm im Jahr 1862 ein stattlicher Stall, der Löhes damaligen Vikar, den sel. Dr. Weber, zu dem Ausspruch bewog: in Neuendettelsau wohnten die Kühe schöner als die Menschen. Langsam, aber stätig wuchs auch das Eigentum der Diakonissenanstalt an Grund und Boden, und gegenwärtig ist nächst der Gutsherrschaft die Diakonissenanstalt die größte Grundbesitzerin in Neuendettelsau. Auch rentiert sich jetzt ihr landwirtschaftlicher Betrieb.

 Ähnliche Nöte hatte und verursachte auch der große Anstaltsgarten, der im Jahr 1859 angelegt wurde. Dettelsau besaß damals überhaupt nur einen einzigen nennenswerten Garten, den Freiherrlich v. Eyb’schen Schloßgarten, der zuweilen, namentlich in der Zeit der Blumen und des Obstes, von den Bewohnerinen des| Diakonissenhauses aufgesucht wurde. Aber er war nicht Eigentum der Diakonissenanstalt und von derselben ziemlich entfernt. Der Mangel eines eigenen Gartens machte sich immer fühlbarer. So mußte z. B. der ganze Bedarf an Gemüse sechs Stunden weit per Achse von Nürnberg her bezogen werden. Das war ein unerträglicher Notstand, der Abhilfe verlangte. Ebenso sehr aber stellte sich das Bedürfnis heraus, behufs der notwendigen Verschönerung der Umgebungen des Hauses, deren „Rustizität“ dem Charakter der ganzen Anstalt nicht entsprach, einen eigenen Gärtner anzustellen. Es gelang der Anstalt, einen in seinem Fache sehr tüchtigen Gärtner zu gewinnen, durch den in der That der rohe Fleck Erde östlich vom Betsaal in einen lieblichen Garten umgewandelt, und der Beweis geliefert wurde, „wie lieblich die Natur ihren Schmuck denjenigen darbeut, die einigen Fleiß auf sie verwenden.“ Löhe selbst opferte dem Garten den Ertrag einer schriftstellerischen Arbeit, nämlich seine „Sieben Vorträge über die Worte Jesu Christi vom Kreuz“. Der Gärtner der Anstalt hatte nämlich die Notwendigkeit vorgestellt, einige Einrichtungen (holländische Kasten etc.) im Garten zu machen, ohne welche er die ihm gestellte Aufgabe nicht erreichen könnte. Man hatte aber nicht den Mut, von den für die Anstalt selbst eingehenden Gaben einen Teil zur Ausführung seiner Vorschläge zu verwenden. Da stellte ihm Löhe das Manuscript jener sieben Passionspredigten zur Verfügung mit dem Wunsch, daß seine Arbeit wie ein Samenkorn in die Erde fallen möge, damit aus ihm „eitel Ehrenpreis der hochgelobten Schönheit des Gekreuzigten hervorwachse.“
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 Wie sehr hat sich Löhe aber auch des Diakonissengartens gefreut. Gern gieng er zur Frühlings- oder Sommerzeit etwa vor dem sonntäglichen Gottesdienst ein Weilchen in demselben lustwandeln und genoß all die Schönheit und den Wohlgeruch, der ihn da umgab, ohne daß er je eine Blume oder auch nur| eine Beere gepflückt hätte. Er schlug den ästhetischen Wert des Gartens nicht geringer an als seinen materiellen Nutzen und wünschte, auch hierin echt pastoral, daß derselbe, als eine Pflegestätte des Schönen, auch ein Bildungsmittel für seine Gemeinde werden und ihr dazu dienen möge, sich aus der Rohheit ihres äußeren Daseins zu einer gesitteteren Lebensweise emporzuringen.

 Natürlich durfte bei dem Garten noch weniger als bei der Ökonomie darauf gerechnet werden, daß er sich selbst trug. Man konnte zum Glück die Gartenkasse mit ihren chronischen Defizits durch eine Kopulation reich machen. Das Diakonissenhaus hatte nämlich schon im zweiten Jahr seines Bestehens eine eigene Bäckerei errichtet. Dieselbe erwies sich im Lauf der Jahre unter der Leitung eines treuen Bruder Bäckermeisters nicht blos als ein gesegnetes, sondern auch als ein nutzbringendes Unternehmen, wie sie denn ihren Geschäftsbetrieb fortwährend vergrößert hat und gegenwärtig die ganze Gegend in weitem Umkreis mit Brot versorgt. Der Gewinn, den sie abwarf, floß, soweit nötig, in die Gartenkasse und deckte deren Defizit.

 Anderes hierher Gehörendes übergehen wir als für unsern Zweck zu unbedeutend.





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