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Zur hundertjährigen Jubelfeier eines Mannes der eignen Kraft

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Textdaten
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Autor: Dr. Klein
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Titel: Zur hundertjährigen Jubelfeier eines Mannes der eignen Kraft
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 160–163
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: biographische Skizze über Joseph von Fraunhofer
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[149]

Das Fraunhofer-Denkmal in München.

[160]
Zur hundertjährigen Jubelfeier eines Mannes der eignen Kraft.
Mit Illustration S. 149.

     Approximavit sidera.
„Er hat uns die Sterne näher gebracht.“


Am 6. März dieses Jahres ist ein Jahrhundert verflossen, seit in der Hütte eines armen Glasers zu Straubing ein Kind das Licht der Welt erblickte, dessen Schwächlichkeit kein langes Leben verhieß, das aber vom Schicksal bestimmt war, seinen Namen mit unverlöschbaren Zügen in das ruhmvolle Verzeichniß der hervorragendsten Forscher aller Zeiten einzutragen. Der Knabe hieß Josef Fraunhofer, und unter Entbehrung und Elend wuchs er heran, ohne Leitung, ohne Schulbildung, nur geheißen, die Gänse eines Bauers täglich auf die Weide und wieder heim zu führen. Aber dieser arme Bauernknabe, mit dem Keime zu frühem Tode in der Brust, war geboren, nicht als Viehhirt zu verderben, sondern der Wissenschaft neue Wege zu bahnen und ruhmvoll, von der ganzen gebildeten Welt betrauert, seinen Lebenslauf zu beschließen.

Nach dem frühen Tode seiner Eltern kam der Knabe, kaum 12 Jahre alt, 1799 nach München, um beim Glasschleifer Weichselberger das Handwerk [162] zu erlernen. Auch hier fand er nur Armuth und wurde verpflichtet, sechs Jahre lang hauptsächlich als Ausläufer zu dienen; nur in kurzen Zwischenzeiten konnte er in seinem Handwerk thätig sein und Brillengläser schleifen. Der Meister war ein harter Mann, ohne Kenntniß, ohne Bildung, dabei selbst blutarm und verbissen; er erlaubte dem Knaben nicht einmal, die Sonntagsschule zu besuchen, um ordentlich lesen und schreiben zu lernen. Zwei Jahre war Fraunhofer bei ihm, als die armselige Hütte des Meisters plötzlich zusammenstürzte und die Bewohner unter ihren Trümmern begrub. Viele Anstrengung kostete es, den Schutt wegzuräumen und zu den Unglücklichen zu gelangen. Man fand die Frau des Meisters todt, den armen Lehrburschen aber wunderbarerweise ganz unverletzt, obgleich halb todt vor Angst. Diese Errettung schien fast wie ein Wunder und ganz München sprach davon. So gelangte die Nachricht auch zum Kurfürsten Max Josef, der den Knaben zu sich kommen und sich von ihm den Vorfall erzählen ließ. Der Junge machte auf seinen Landesherrn einen sehr guten Eindruck und erhielt ein Geschenk von 18 Dukaten; zugleich trug der Kurfürst dem damaligen Hofkammerrath Utzschneider auf, den Knaben nicht aus den Augen zu lassen und sein Fortkommen zu überwachen. Wie wunderbar sind nicht bisweilen des Schicksals Wege! Die augenblickliche Laune des Kurfürsten Max Josef hat die erste Veranlassung gegeben, das heute mit Riesenferngläsern die tiefsten Tiefen des Himmels ergründet werden, daß die photographische Linse ihre gegenwärtige Vollkommenheit besitzt und daß viele wichtige wissenschaftliche Forschungen bereits heute Eigenthum der Menschheit geworden sind.

Utzschneider, selbst einer der genialsten Männer, die Bayern jemals hervorgebracht hat, nahm den Auftrag seines Landesherrn sehr ernst und besuchte persönlich zu wiederholten Malen den jungen Fraunhofer. Mit Erstaunen sah der erfahrene Mann, was in dem Knaben steckte. Der Letztere setzte ihm auf Befragen aus einander, wie er das ihm gewordene Geschenk von 18 Dukaten zu verwenden gedenke. Zunächst wolle er sich davon eine Glasschneidemaschine kaufen, um optische Gläser zu schneiden; Utzschneider belehrte den Knaben, daß er, um Tüchtiges auf diesem Gebiete zu leisten, vor Allem mathematische Kenntnisse sich aneignen müsse, dazu auch die Lehren der theoretischen Optik über den Weg der Lichtstrahlen durch Prismen und Linsengläser. Das waren völlig neue und unbekannte Dinge für den jungen Fraunhofer; allein mit Begierde begann er, sich dieselben zu eigen zu machen.

Zunächst mußte er seine überaus dürftige Elementarbildung verbessern, und für einen Theil des Geldes gelang es ihm, den Besuch der Sonntagsschule zu ermöglichen. Dann ging er an die schwierigen Studien auf dem Gebiete der Mathematik, wozu Utzschneider einige Bücher lieh. Dieses Studium mußte jedoch verstohlen und im Freien, auf dem Felde, geschehen; denn der Meister hatte seinem Lehrling aufs Strengste verboten, „aus Büchern zu lernen“!

Endlich waren die sauern Lehrjahre überwunden, aber freilich das Ende der Noth für den armen Fraunhofer damit noch nicht gekommen; denn Niemand bedurfte seiner Fertigkeit. Unter solchen Umständen griff er, um sein Leben zu fristen, zum Grabstichel und verfertigte – Visitenkarten, Rechnungsformulare u. dergl. Auch dieser Ausweg half nicht viel; doch fand er endlich wieder Arbeit bei einem Glasschleifer, freilich Taglöhnerarbeit ohne höheren Zweck, ohne Aussicht, aus der elenden Lage sich je erheben zu können.

Aber zum zweiten Male lächelte dem talentvollen jungen Manne das Geschick, und wenngleich ihm noch unbewußt, war bereits der Weg eröffnet, der ihn mit Riesenschritten zu einem glorreichen Ziele führen sollte. Utzschneider hatte nämlich mit Reichenbach und Liebherr eine mechanische Anstalt gegründet, aus welcher astronomische und geodätische Meßinstrumente von solcher Genauigkeit hervorgingen, wie sie die Welt bis dahin nicht gesehen. Zu solchen Instrumenten waren aber auch Fernrohre erforderlich, und deren Gläser lieferten bis dahin die Engländer. Napoleon hatte nun England in Blokadezustand erklärt, und in Folge dessen war es nicht mehr möglich, die englischen Gläser zu erhalten. Auf dem Kontinent war aber Niemand im Stande, auch nur das Rohglas herzustellen, dessen Utzschneider und Reichenbach bedurften. Die Verlegenheit für die Künstler und Gelehrten war nicht gering, und Utzschneider bot Alles auf, um einen Ersatz zu schaffen. Lange blieben seine Bemühungen fruchtlos. Endlich hörte er durch den Oberberghauptmann Gruner, daß zu Brenets im Kanton Neuchatel ein Bauer mit Namen Guinant wohne, der sich mit Herstellung von sogenanntem Flintglase (dessen man bedurfte) beschäftige und dem es gelungen sei, bedeutende Fortschritte auf diesem Gebiete zu machen.

Sofort eilte Utzschneider nach der Schweiz, und es gelang ihm nicht ohne Schwierigkeit und mit großen pekuniären Opfern, Guinant für seine Anstalt zu engagiren und mit nach München zu bringen.

Im ehemaligen Kloster zu Benediktbeuren wurde nun eine Glashütte für optisches Kunstglas errichtet. Guinant erhielt die Leitung des Schmelzens; dabei war er die Verpflichtung eingegangen, seine Methode einer ihm noch näher zu bezeichnenden Persönlichkeit mitzutheilen. Es war aber für Utzschneider schwer, eine solche durchaus geeignete Persönlichkeit zu finden. Da erinnerte er sich zur guten Stunde des jungen Fraunhofer, hieß ihn kommen und stellte ihn Reichenbach vor. Nach kurzer Unterhaltung rief dieser voller Freude aus: „Da haben wir den Mann, den wir suchen!“

Fraunhofer wurde augenblicklich angeworben, um zunächst mit Guinant die Glasschmelzen zu leiten. Bald stellte sich indessen heraus, daß Letzterer mehr versprochen hatte, als er wirklich leisten konnte; das von ihm erzeugte Glas war nicht sehr gut, weil in den einzelnen Schichten die Blöcke ungleich dicht und deßhalb unbrauchbar waren. Der Optiker bedarf nämlich für Herstellung der astronomischen Fernrohre eines Rohglases, welches homogen, d. h. in allen Schichten gleich dicht ist, und dies ist besonders bei dem schweren, bleihaltigen sogenannten Flintglase nicht leicht zu erzielen. Die Resultate, welche Guinant in Benediktbeuren zu Stande brachte, genügten diesen Anforderungen bei Weitem nicht, so daß es unmöglich war, ein Fernrohr auch nur von fünf Zoll Durchmesser des Objektivglases[1] herzustellen. Nur ein geringer Trost blieb es, daß auch die Engländer damals nicht besser dran waren. Das vorzügliche Flintglas, welches dort ehedem zu Fernrohrlinsen verarbeitet worden war, hatte man nämlich ganz zufällig in einem alten Glasofen gefunden und als es aufgebraucht war, gelang es auch dort nicht mehr, Glasflüsse in gleicher Güte herzustellen. Das war der Stand der Sache, als Fraunhofer sich energisch der Glasbereitung widmete und an Guinant’s Stelle, der nach der Schweiz zurückkehrte, die Herstellung von Glasblöcken selbst studirte. Seinem Talente und, so darf man wohl sagen, auch seinem Glücke gelang es, bald eine Methode zur Erzeugung optischen Glases zu entdecken, die alles bis dahin Geleistete in den Schatten stellte. Dem Laien mag das Problem nicht gar schwierig erscheinen; er wird aber eine richtige Vorstellung der Aufgabe erhalten, wenn er erfährt, daß noch 20 Jahre nach Fraunhofer’s Tode die französische Regierung einen Preis von 100 000 Franken aussetzte für den Erfinder einer zuverlässigen Methode, optisch fehlerfreies Glas zu erzeugen. Von verschiedenen Seiten wurden Versuche angestellt, den Preis zu erringen, allein vergeblich.

Die Art und Weise der Herstellung des homogenen Flintglases hat Fraunhofer nicht veröffentlicht; doch kannte Guinant einiges davon, indem er eine Zeit lang den Fraunhofer’schen Versuchen beiwohnte. Diese Kenntniß hat Guinant mit nach Hause genommen und später in einer nahe bei Paris errichteten Glashütte verwerthet, bis sein Nachfolger Bontemps das Geheimniß an die Pariser Akademie verkaufte. Inzwischen war Fraunhofer viel weiter geschritten und stellte bereits Fernrohre mit Objektivlinsen von sechs, ja sieben Zoll Durchmesser her. Diese Instrumente zeigten beim Gebrauch den Astronomen die Gegenstände in solcher Schärfe und Klarheit, daß sämmtliche andere bis dahin vorhandene Ferngläser daneben als höchst untergeordnet und unvollkommen erschienen. Alle Sternwarten beeilten sich, ihre Sehwerkzeuge bei Fraunhofer zu bestellen; die Ueberlegenheit der englischen Optiker war rettungslos dahin! Freilich war es nicht allein die Methode der Glasbereitung, welche der Fraunhofer’schen Linse ihre Ueberlegenheit verschaffte, sondern die ganze Konstruktion dieser Fernrohre, die nach völlig neuen Principien und mit Hilfe von überaus vollkommenen, von Fraunhofer selbst erdachten Apparaten ausgeführt wurde. Auf das Theoretische und Technische derselben kann hier nicht eingegangen werden; nur so viel sei hervorgehoben, daß auch die Riesenteleskope der Gegenwart noch im Allgemeinen nach Fraunhofer’scher Konstruktion hergestellt, die Gläser nach den Methoden, die er aufgefunden und angezeigt, auf ihr Verhalten gegen den Lichtstrahl geprüft werden.

Fraunhofer ist im wirklichsten Sinne des Wortes der Vater der heutigen Optik; ohne seine Instrumente wäre die beobachtende Astronomie noch nicht auf ihre heutige Höhe gekommen. Besonders waren es zwei astronomische Apparate, das sogenannte Heliometer für die Sternwarte zu Königsberg und der große Refraktor (astronomisches Fernrohr) für Dorpat, welche am Ende des ersten Viertels unseres Jahrhunderts mit Recht zu den Wunderwerken der optisch-mechanischen Kunst zählten und den Namen Fraunhofer weit berühmt machten. Das große Fernrohr, welches Fraunhofer nach Dorpat lieferte (und das auch heute noch dort zu den feinsten Beobachtungen benutzt wird), hat eine Objektivlinse von neun Zoll im Durchmesser und eine Länge von vierzehn Fuß. Seine optische Vollkommenheit war so groß, daß sich selbst die weit gewaltigeren Spiegelteleskope Herschel’s an Schärfe nicht damit messen konnten. Dazu hatte ihm Fraunhofer ein äußerst sinnreich konstruirtes Triebwerk beigegeben, mittels dessen das Instrument der Bewegung des Himmelskörpers folgt, so daß ein Stern, wenn er einmal in das Gesichtsfeld dieses Fernrohrs gebracht worden, unverrückt in demselben stehen zu bleiben schien, weil das Uhrwerk der täglichen Umdrehung des Himmels genau folgte. Als die erste Nachricht von diesem optischen Wunderwerk nach England kam, erklärten die dortigen Gelehrten die Herstellung eines so großen Fernrohrs für eine Unmöglichkeit, und erst nachdem der Astronom Struve, dem das Instrument unterstellt war, eine genaue Beschreibung desselben und seiner Leistungen dem Präsidenten der Londoner astronomischen Gesellschaft übersandte, verstummten die Zweifler.

Die großartigen Erfolge, welche Fraunhofer errungen, konnten nicht verfehlen, auch seine persönlichen Verhältnisse glänzend zu gestalten. Er wurde Theilhaber des optischen Instituts von Utzschneider, Mitglied der hervorragendsten wissenschaftlichen Gesellschaften und von seinem Könige in den persönlichen Adelstand erhoben. Leider verfiel seine Gesundheit mehr und mehr; im Frühlinge 1824, sechs Jahre nachdem er das große Fernrohr für Dorpat vollendet hatte, war es ihm kaum mehr möglich, selbst thätig zu sein. Nur mit Mühe hielt er sich beim Glasschmelzen noch aufrecht. Um diese Zeit bestellte der König von Bayern ein Fernrohr, welches das Dorpater an Mächtigkeit übertreffen sollte, und Utzschneider versprach ein solches von zwölf Zoll im Durchmesser. Als Preis wurde die für damals enorme Summe von 30 000 Gulden festgestellt, wovon 20 000 sofort im Voraus gezahlt werden sollten. Das Fernrohr sollte in drei Jahren fertig sein. Es ist vielleicht kaum etwas Anderes mehr geeignet, dem Laien die ungeheuren Schwierigkeiten zu versinnlichen, welche die Herstellung eines solchen Instruments damals darbot, als die Bemerkung, daß Fraunhofer daran zweifelte, ob es gelingen würde, das Objektiv zu vollenden. Er war damals bereits sehr leidend und äußerte: „Es ist eine große Unvorsichtigkeit, die Ausführung eines solchen Instruments zu versprechen. Ich habe neulich mehrere Glasschmelzen gemacht, und sie sind sämmtlich mißlungen.“ Am 7. Juni 1826 erlag sein schwächlicher Körper. Auf seinem Grabmale finden sich die stolzen Worte: [163] Approximavit sidera, „Er hat uns die Sterne näher gebracht.“ Wahrlich ein höherer Ruhmestitel als alle äußerlichen Ehrenbezeigungen!

Fraunhofer’s Tod schien alle von ihm gemachten Errungenschaften in der Herstellung des optischen Glases wieder in Frage zu stellen; denn über seine Fabrikationsmethode hatte er Niemand eine Mittheilung gemacht. Glücklicher Weise hatte er indessen eine Beschreibung derselben beim bayerischen Ministerium niedergelegt, und hierher wandte sich nun zunächst Utzschneider um Auslieferung dieser Papiere behufs Herstellung des großen vom Könige bestellten Fernrohrs. Dieselbe wurde verweigert und das unmittelbare Resultat war, daß nach Ablauf der ausbedungenen drei Jahre das große Instrument noch gar nicht angefangen war. Es wurde ein neuer Termin von weiteren zwei Jahren bewilligt, und endlich erhielt Utzschneider die Fraunhofer’schen Papiere. Ohne Säumen begann er nach ihrer Anweisung das Schmelzen optischer Glasblöcke, aber ohne Erfolg; an 180 000 Mark sollen auf fruchtlose Versuche verwendet worden sein. Erst der junge Georg Merz, Fraunhofer’s Schüler, kam zu besseren Resultaten. Er war in der Lage, sogar noch größere und reinere Glasblöcke zu erzeugen, als Fraunhofer. Dennoch gelang es nicht, das Instrument von 12 Zoll Objektivdurchmesser zu vollenden; auch der zweite Termin lief fruchtlos ab. Die bayerische Regierung drohte mit Zwangsmitteln und entsandte einen Astronomen, um zu untersuchen, was von dem Instrumente fertig sei. Dieser fand das Fernrohr vollendet, aber nicht mit einem Objektivglase von 12 Zoll Durchmesser, sondern nur von 10½ Zoll. Gleichwohl rieth er der Regierung, dieses Instrument statt des zwölfzolligen zu nehmen, da das Gelingen eines noch größeren nur auf Zufall zu beruhen scheine und man nicht absehen könne, wann es geliefert werde. Die bayerische Regierung ging auf diesen Vorschlag ein und Ende 1836, 10½ Jahre nach der Bestellung, war das Instrument endlich in der Sternwarte bei München zum Beobachten aufgestellt. Es erwies sich in seinen Leistungen als höchst vorzüglich und blieb geraume Zeit das mächtigste, den Herschel’schen Riesenteleskopen vielfach überlegene Sehwerkzeug der Astronomen; noch heute zählt es zu den vorzüglichsten Fernrohren.

Nicht ohne Absicht ist hier die Geschichte des Münchener großen Refraktors etwas ausführlich mitgetheilt worden, da sie die Schwierigkeiten, mit denen die Herstellung solcher Instrumente noch in den dreißiger Jahren zu kämpfen hatte, unmittelbar vor Augen führt. Gegenwärtig ist die optische Kunst weit über diesen Standpunkt hinweggeschritten. Nach sehr langen Mühen ist es dem Nachfolger von Guinant, Feil in Paris, dann der Firma Chance in Birmingham gelungen, fehlerfreie Glasblöcke zu erzeugen, welche Fernrohrobjektive von 20, 30, ja 36 Zoll Durchmesser zu schleifen gestatten, und die Amerikaner stellen heute Rieseninstrumente her, deren Gläser den drei- und selbst vierfachen Durchmesser der Fraunhofer’schen besitzen. So hat z. B. das neue Riesenteleskop auf dem Mount Hamilton in Kalifornien ein Objektivglas von 36 englischen Zoll Durchmesser, und die Kosten dieses Instruments beziffern sich auf 430 000 Mark. Beiläufig bemerkt ist es ein Deutscher, J. Lick, der diese Kosten bestritten hat, indem er circa 3 Millionen Mark zur Erbauung einer großen Sternwarte spendete. Mag nun, wie man glaubt, dieses Rieseninstrument das größte Fernrohr mit Glaslinsen sein, welches man überhaupt herstellen kann, oder mag es in Zukunft gelingen, noch weiter zu kommen; jedenfalls ist es Fraunhofer gewesen, der die Wege gewiesen hat, auf denen die Nachfolger heute wandeln. Mit den Werkzeugen, die seine Hand schuf, sind die Schranken des Himmels durchbrochen und die Entfernungen der Fixsterne gemessen worden; noch heute sind die von ihm erdachten und ausgeführten Meßapparate die feinsten, welche der Astronom kennt, und nicht minder ist dem Physiker der Name Fraunhofer ehrwürdig. Auf einen solchen Mann stolz zu sein, hat Deutschland allen Grund, und mit Recht wurde sein Denkmal, eine Erzstatue auf schwarz-grünem Syenit-Sockel, vor dem bayerischen Nationalmuseum errichtet, auf dessen Mittelbau die Inschrift prangt: „Meinem Volk zu Ehr’ und Vorbild.“ Dr. Klein.



  1. Bei den Fernrohren nennt man die dem Auge zugekehrte Linse Okularglas, die dem zu beobachteten Gegenstande zugewendete Objektivglas.