Zwei Frauen (Zitelmann)
Zwei Frauen.
Ich sah auf der Strasse ein armes Weib,
Krankheit im Gesicht und Lumpen am Leib,
Ein Kind an der Hand, des Elends Bild. –
„Du Arme, o bleib’
Sie sah ins Gesicht mir, wild und bleich:
„Warum bin ich arm, und warum bist du reich?
Ei hätt’ ich wie du mein gutes Brot,
Dann würden sogleich
Ja, müsst’ ich nicht betteln, wie ich es tu’,
Und trüg’ ich seidene Kleider wie du,
Dann säh’ auch ich dem Elend hier
Gelassen zu
Da der Bub’ ist geboren in Sünd’ und Schand’,
Seinen Vater, den hat er nie gekannt.
Nun wächst er in Schmach und Elend heran,
Zieht mit mir durchs Land
Ja, das Kind, das ist meine schwerste Not,
Es quält den ganzen Tag mich um Brot,
Und so schlepp’ ich die Last mit mir herum –
O läg’ es nur tot,
Umsonst hab’ ich ehrliche Arbeit gesucht,
Nur Spott und Hunger, das war die Frucht –
Der Tag, da die Mutter geboren mich,
Der sei verflucht!
– – Mir aber rannen die Tränen herab,
Weil ich ein eigenes Kind nicht hab’,
Einst hatt’ ich eins, doch lange ist’s her,
Jetzt liegt es im Grab …