Zwei Lyriker
[68] Zwei Lyriker, die in ihrer Eigenart sehr verschieden sind, haben zwei neue Sammlungen von Gedichten erscheinen lassen. Robert Hamerling „Blätter im Winde“ (Hamburg, F. Richter), und Emil Rittershaus „Aus den Sommertagen“ (Oldenburg, Schulze). Der österreichische Sänger, der sich sonst in kühngefugten Gedankensymphonien gefällt, hat diesmal meistens kurzathmige Lieder als „Blätter im Winde“ in die Welt flattern lassen; doch es lohnt sich, dieselben einzufangen, denn es sind farbenbunte Blüthenblätter darunter und die meisten haben eine sinnvolle Zeichnung. Hamerling’s Poesie verräth auch in diesen kürzeren Ergüssen das leidenschaftlich Bewegte und Gedankenvolle, das ihr eigen ist. Hier und dort bei einem größeren Gelegenheitsgedichte wandelt sie pomphafter und in gewählterer Gewandung einher; selten treffen wir eine poetische Novelle oder eine Ballade wie die eigenartige „Todtengräberhochzeit“.
Emil Rittershaus dichtet zwar auch bisweilen „unter schwarzen Wolken“, aber der Gewitterhimmel, der in manchen Dichtungen Hamerling’s grollt und flammt, ist ihm fremd. Er macht kein Hehl aus dem Leid, das ihn oft erfüllt:
„Ihr glaubt, ich sei von heitrem Sinn
Und meine Brust sei voller Lust.
Wie ich so krank und elend bin,
Das ist nur Gott allein bewußt.
Ob euch auch stark mein Herz erscheint,
Er weiß, wie oft es bebt und zagt!
Die Thränen, die ich nicht geweint,
Die haben mir die Brust zernagt.“
aber er sucht Trost und findet ihn.
„Mich hatte tiefe Seelenpein
Zum Opfer sich erkoren;
Ward je ein Glück der Erde mein,
Schien Alles mir verloren.
Da tief im Leiden fand ich ihn,
Den rechten Friedensbronnen –
Als Alles mir verloren schien,
Hatt’ Alles ich gewonnen.“
Die Sammlung enthält viele warmempfundene Gedichte in durchsichtig klarer Form, einfache Melodien, die zum Herzen sprechen. †.