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Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/August Neidhart Graf von Gneisenau

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: August Neidhart Graf von Gneisenau
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 145–146
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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[Ξ]


August Neidhart Graf von Gneisenau.
Geb. d. 28. Oct. 1760, gest. d. 24. Aug. 1831.


Graf von Gneisenau ist mit Scharnhorst und Blücher der dritte im Heroenbunde jener großen Zeit, die Deutschlands Fesseln brach und wie eine glückverheißende Morgenröthe über dem Vaterlande strahlte. Tapfer und thätig, muthvoll und besonnen, als Krieger ein Held, als Mensch ein Ehrenmann, hat er unvergänglichen Nachruhm sich erworben.

Auf einer Durchreise durch das Städtchen Schilda gab seine Mutter Gneisenau das Leben. Er hatte das Unglück, beide Aeltern früh zu verlieren und wurde in Würzburg erzogen, wo die Großältern lebten. Von der Schule zu Würzburg kam Gneisenau nach Erfurt, studirte dort und trat 1782 in Markgräflich Bayreuthische Dienste. Als er es in denselben bis zum Lieutenant gebracht, schien sein Loos ihn in den Kampf gegen die amerikanische Freiheit führen zu wollen, wohin er mit einem Ergänzungscorps von 400 Mann absegelte, dort aber bereits den Waffenstillstand geschlossen fand und gern zurückkehrte. Gneisenau trat nun in königl. preußische Dienste, wurde 1789 Hauptmann der niederschlesischen Küselierbrigade und wurde in den Feldzügen in Polen 1793 und 1794 mit verwendet. Die Zeit, welche der Garnisonsdienst, der in mehreren schlesischen Städten wechselte, ihm vergönnte, wendete Gneisenau mit gründlichem Fleiß auf seine militärische Fortbildung und ließ in der Stille den großen Feldherrngeist reifen, welcher berufen war, Deutschland unvergeßliche Dienste zu leisten.

Als der Feldzug von 1806 eröffnet war, erhob sich Gneisenau’s Gestirn, das ein langer Friede noch im Dunkel gehalten, zu glänzendem emporsteigen. Er focht mit in der unglücklichen Schlacht bei Saalfeld, Prinz Luis von Saalfeld und die meisten höhern Officiere waren gefallen, Gneisenau mußte den Rest des geschlagenen Heeres zurückführen und that dieß mit aller Tapferkeit und Umsicht. Der siegreiche Feind nahm die Festungen des Landes, nur Kolberg hielt sich noch durch die muthvolle Ausdauer seines größten, für des Vaterlandes Ehre begeistertsten Bürgers Nettelbeck (Lieferung 1.). – Gneisenau kam, bisher immer noch Hauptmann, jetzt zum Major ernannt, und hielt Stadt und Festung mit bewunderungswürdiger Ausdauer, von [Ξ] Nettelbeck stets auf das aufopferndste unterstützt. Noch führt das Regiment von Gneisenau zum unverlöschlichen Andenken jener heldenmüthigen Vertheidigung Kolbergs seinen Namen.

Die trüben Jahre der Schmach und Erniedrigung, in denen Preußens Waffenruhm verhüllt und seine Kraft gebrochen war, wurden mit Plänen und Hoffnungen auf eine bessere Zeit ausgefüllt, und wie Scharnhorst und andere Edle und Tüchtige im Stillen daran arbeiteten, Großes vorzubereiten, so auch Gneisenau, bis näher und näher die verhängnißvolle Zeit kam, die zur Entscheidung drängte.

Eine sich nöthig machende diplomatische Sendung nach England wurde 1812 Gneisenau übertragen und von ihm voll Einsicht und Glück vollbracht. England mehrte den Kriegsbedarf. Preußen schuf seine tüchtige, thatenbewährte und ruhmgekrönte Landwehr, und Gneisenau wurde Generalgouverneur der schlesischen Armee. Scharnhorst’s Verwundung in der Schlacht bei Lützen und dessen in Prag erfolgter Tod stellten Gneisenau als Generalquartiermeister an die Spitze des schlesischen Heeres, und nun bewährte sich durch mannigfaltige Prüfungen unterm Donner der Schlachtengewitter Gneisenau’s Heldengeist, mit dem er als Chef des Generalstabes vorleuchtete; davon zeugten nacheinander die Schlachten an der Katzbach, bei Wartenburg und bei Möckern während der großen Völkerschlacht auf Leipzigs Gefilden. Auch auf dem weitern Siegesgange hinter dem hart verfolgten, doch oft noch sich tapfer setzenden Feind war das Kriegsglück mit Gneisenau’s Fahnen, und Brienne, Laon und Paris sahen ihn als Sieger einziehen. In Folge seiner Großthaten wurde Gneisenau in den Grafenstand erhoben.

Als der Friede von Paris geschlossen war, suchte Gneisenau seine Gesundheit durch den Besuch von Bädern zu stärken, und ließ sich dann zu friedlicher Thätigkeit in Berlin nieder; doch nicht lange blieb dem Feldherrn Ruhe vergönnt, denn Napoleon erschien noch einmal und sein Name schreckte noch einmal die Welt aus ihrem jungen Frieden.

Da trat mit den tapfersten und gefeiertsten Heldenbrüdern auch Gneisenau wieder an des Heeres Spitze, kämpfte todtesmuthig in den Schlachten von Ligny und Waterloo, mehr als einmal hart bedroht, und verfolgte dann den fliehenden Feind unablässig, bis er zum zweiten male als Sieger durch die Thore der Hauptstadt Frankreichs ritt und dann am Ministertische den harten Frieden mit diktirte. Auch er begleitete, gleich Blücher, seinen Heldenkönig von Paris aus nach England, wurde aller Ehren und Auszeichnungen theilhaft, und dann vom Könige zum commandirenden General in den Rheinprovinzen ernannt, gleichsam als ein Wächter neben dem stets unruhigen und immer noch nicht genug gedemüthigten Frankreich. Indessen geboten Gesundheitsrücksichten dem Grafen, sein Generalat 1816 niederzulegen und mehrere böhmische Bäder zu besuchen, worauf er sich auf sein Familiengut Großerdmannsdorf in Schlesien zurückzog und glückliche Jahre einer heitern Ruhe verlebte. Im Jahre 1821 wurde Graf Gneisenau zum Gouverneur von Berlin ernannt und 1825 wurde er Generalfeldmarschall der preußischen Gesammt-Armee, wie er auch im Staatsrath der auswärtigen und Militairangelegenheiten den Vorsitz erhielt, und ruhm- und ehrenvoll für Preußens Wohl wirkte. Von einer Reise auf sein Gut kehrte er nicht wieder nach Berlin zurück; er fand dort im Heimathschoose die irdische Ruhe. Hoch ehrte ihn Preußen auch nach seinem Tode, Berlin erfreut sich seines Denkmals, die Geschichte grub seinen Namen mit goldenen Lettern in ihre Annalen.