Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Friedrich Wilhelm Herschel

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Friedrich Wilhelm Herschel
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 177–178
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Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Friedrich Wilhelm Herschel.
Geb. d. 15. Aug. 1733, gest. d. 25. Aug. 1822.


Herschel war einer der Lichtträger im Morgenrothe astronomischer Forschung und Wissenschaft, und sein Name überschwebte auf den Flügeln des Ruhmes den Erdkreis. Er wurde zu Hannover geboren, wo sein Vater als Musiker wirksam war. Der sinnige Knabe fand Gefallen an des Vaters treu geübter Kunst, lernte Klavier, Violine und Hoboe, neigte sich aber nicht minder dem Studium der französischen Sprache, der Logik, der Mathematik und Physik zu, in welchem ihm der Artelleriesecretair Hofschlaeger mit dem sehr unterrichteten Vater gemeinsam unterwies, und begann frühzeitig allerlei Werkzeuge für optischen und mathematischen Gebrauch selbst, wenn auch nur erst unvollkommen, zu gestalten, und so reifte er zum wohlgebildeten Jüngling heran, ohne noch für eine bestimmte Lebensrichtung in Kunst oder Wissenschaft sich entschieden zu haben, als die Bewegungen des siebenjährigen Krieges die Sorge der Aeltern mehrten. Da wurde von Wilhelm ein rascher Entschluß gefaßt; er trat mit dem Bruder gemeinschaftlich 1759 in das Hautboistencorps eines nach England bestimmten Regiments. So kam Herschel nach London; wer hätte in dem Bläser einer Hoboe auf dem Paradeplatz den Mann suchen sollen und finden wollen, der statt der Tuba des Kriegsgottes einst den Tubus Urania’s beherrschen werde? Das Schicksal führte Herschel erst durch irdische Labyrinthe, bevor es seinem Blick die ewigen des Firmamentes entriegelte. Der Bruder kehrte bald von London wieder heim; Wilhelm blieb hoffnungsvoll, immer noch im Glauben, die Musik werde sein Glück begründen. Er half fleißig Tanzmusik aufspielen gegen kargen Lohn, bis selbst dessen zum Leben zu wenig wurde. Nun verließ er London, bewarb sich um die Stelle eines Organisten in Halifax, ward geprüft, bestand über alle Erwartung, ward nun Organist und Musiklehrer und suchte sich einestheils in Erlernung fremder Sprachen, anderntheils als theoretischer Musiker fortzubilden, wo wieder die Harmonielehre es war, die so innig mit der Mathematik verwandt, aufs neue zu dieser hinlenkte, die Harmonie der irdischen Töne zur Harmonie der himmlischen Sphären, die wieder zur Optik hinwies, ohne deren Beihülfe die Wissenschaft der Astronomie nicht denkbar ist.

[Ξ] Im Jahre 1766 wurde Herschel Organist in Bath, wohin eine bessere Stelle zog und wo er Muse fand, die Bestrebungen zu verfolgen, zu denen die innere Berufung ihn mächtig hindrängte. Herschel fing jetzt an, Gläser und Hohlspiegel zu schleifen und Telescope zu erbauen, wie sie die Welt noch nicht gesehen. Er begann mit einem Reflektor von 5 Fuß Länge nach Newton’s Vorschrift und endete mit dem Riesentelescop, dessen Länge 40 Fuß maß, und 4000 Pfund schwer war. Ein eigenes Thurmgerüst wurde erbaut, das ungeheure Werkzeug zu tragen und zu lenken. Mit diesen Werkzeugen erschloß sich Herschel den Einblick in die Welt der Planeten, Sonnen und Nebelsterne, und war so glücklich, am 13. März 1781 einen neuen Wandelstern zu entdecken, den ersten, seit die alte Zeit ihre sieben Planeten durch Jahrtausende behauptet, aus deren Zahl die spätere Forschung Sonne und Mond gestrichen und die Erde in sie eingesetzt hatte. Dem Könige Georg III. von England zu Ehren nannte Herschel den neuen Stern Georgsgestirn, die erfreuten und dankbaren Zeitgenossen unter den Sternkundigen aber nannten ihn zu Ehren des Entdeckers: Herschel. Da aber einmal die Planeten weltgültige mythologische Namen haben, Mars als Sohn des Zeus, Jupiter als Sohn des Saturns gekannt war, so wurde für den neuen Planeten des letztern mythischer Vatername: Uranus – erwählt. Ein Mann, der alles durch sich selbst auf mühsamster Bahn eiserner Studien geworden, fand – was zwei Jahrtausende den berühmtesten Astronomen vorenthalten hatten.

Die königliche Societät ertheilte dem großen astronomischen Autodidacten ihre goldene Preismedaille und ernannte Herschel zu ihrem Mitglied; der König aber enthob ihn seiner musikalischen Aemter, die neben dem Orgelspiel in der Kirche auch noch die Musikmeisterstelle beim Theater und anderes einschlossen, zog Herschel an den Hof und ernannte ihn mit einem Gehalt von 1800 Thalern zu seinem Privatastronomen. Später widerfuhr ihm die Ehre von der Universität Oxford zum Doctor der Rechte ernannt zu werden. Er selbst hatte ein Landhaus nahe bei Windsor bezogen, das nun sein Tempel Urania’s wurde, dort führte er die in Bath schon gefaßten Ideen zum Bau von Riesentelescopen aus, durch deren Hülfe sich vor seinem kundigen Blick die Nebelflecken am Nachthimmel in Einzelwelten auflösten.

Der glückliche Entdecker des Planeten Uranus forschte weiter, er entdeckte nach und nach 6 Uranusmonde, 2 neue des Saturn, berechnete die Zeit des Umschwungs der Saturnringe, beobachtete auf das genaueste den Mond, erblickte auf ihm neben den Hunderten muthmaßlich erloschener Krater thätige Vulkane, glaubte diese mindestens zu erblicken, bereicherte die Mondkarten außerordentlich, gab über die Sonne, deren und der Fixsterne Natur und Bau neue überraschende Aufschlüsse und legte alle seine gemachten Erfahrungen und Schlüsse in gründlichen und gediegenen Abhandlungen nieder. Ueber die Sonnenathmosphäre, ihre Strahlen, Sonnenflecken und Sonnenfackeln berichtigte und verbesserte Herschel wesentlich die bisher geherrscht habenden Ansichten durch geistvolle Vermuthungen, die höher zu achten sind, als bloße Hypothesen uranophilischer Phantasieleute. Herschel’s Telescope waren unübertroffen und die besten der Welt, und der große Riesenrefractor war keineswegs, wie hier und da behauptet worden, ein astronomisch-mechanisches Curiosum, sondern bei seiner ungeheuern Größe und Schwere leicht zu lenken und praktisch brauchbar, denn durch denselben wurden von Herschel die Uranusmonde entdeckt.

Mit seiner Schwester Caroline lebte Herschel ein nur der Wissenschaft geweihtes schönes Stillleben und zeigte stets eine liebenswürdige Persönlichkeit, einen edeln Charakter. Sein Wesen war heiter, offen, munter, bescheiden und voll Theilnahme, und die zahlreichen Lobes- und Ruhmesspenden, die ihm zu Theil wurden, machten ihn weder stolz noch eitel. Selbst mit dem Guelphen-Orden schmückte ihn 1817 König Wilhelm und so schloß sich in reiner Harmonie der Accord seine Daseins, als die Seele des 89jährigen Greises zu den Sternen entschwebte. Auch sein Sohn John Friedrich William wurde einer der bedeutendsten Mathematiker und Astronomen der Gegenwart, und zeigte sich des großen Vaters ebenbürtig.