Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Jean Paul Friedrich Richter

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Jean Paul Friedrich Richter
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 309–310
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
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Jean Paul Friedrich Richter.
Geb. d. 21. März 1763, gest. d. 14. Nov. 1825.


Deutschlands begabtester und fruchtbarster Dichter auf einem Gebiete, für welches der deutschen Sprache der rechte Ausdruck mangelt, denn Laune, scherzhafte Gemüthsart u. dgl. übersetzen nicht genügend das tiefdeutungvolle Wort Humor. Wunsiedel im Fichtelgebirge war Jean Paul’s, (wie dieser Dichter sich gewöhnlich nannte) Geburtsort, der Vater war Lehrer an der Schule des Städtchens und erlangte später eine kleine Pfarrstelle im Dorfe Jodiz, welche er nachher mit einer andern im Marktflecken Schwarzenbach an der Saale vertauschte. Der junge Sohn war sich viel selbst überlassen, entwickelte sich zeitig und baute sich eine innere Welt voll Gedanken, ebenso eignete er sich durch lesen allmählich eine Fülle von Kenntnissen an, die er in späteren Jahren gut zu benutzen verstand. Auszüge aus Schriften zu machen, gewährte ihm durch sein ganzes Leben eine eigenthümliche Freude, die bei einem so selbstschöpferischen Geist, wie der Jean Paul’s war, nebst seiner Neigung für einen sorglich registrirten Zettelkram mit Namen, Nummern und Notizen eigentlich als ein psychologisches Räthsel erscheint. So bildete Jean Paul sich neben gut benutztem Schulunterricht zum vielwissenden bewandertsein in allen möglichen Fächern, ohne doch je irgend ein anderes Fach als das der phantasievoll schaffenden Poesie zu ergreifen. Von dem Gymnasium zu Hof zog Jean Paul schon im siebzehnten Jahre auf die Hochschule zu Leipzig, wo er, nach des Vaters Wunsche, Theologie studiren sollte, aber diese nicht studirte, wie sehr einen andern der Mangel an Mitteln nach einem sichern Brodstudium hingedrängt hätte. In dem jugendlichen Dichtergeist waltete, vielleicht mit vom Druck der Armuth erzeugt, die Neigung zur Satyre vor, und er goß deren ganze Fülle und Schärfe in dem Buche: »Grönländische Processe« aus, wie nicht minder später, als er in Leipzig sich nicht zu halten vermochte, und sich wieder nach Hof und dann nach Schwarzenbach zurück begab, in der »Auswahl aus des Teufels Papieren«. Beide Bücher waren noch von wenig Erfolg begleitet; der satyrische Dichter ist selten willkommen, die Satyre ist den Leuten sehr unbequem, indem sie sticht und beißt. Zudem liebte der junge Poet sehr das formlose, und [Ξ] huldigte einer unbeschränkten Freiheit, die im äußeren erscheinen des Fesselzwanges der Mode spottete, und in der schriftstellerischen Darstellung jede Formschranke über sprang oder zerbrach. Die Armuth nöthigte Jean Paul, Hofmeisterstellen anzunehmen, um seine dürftige Mutter zu unterstützen, und durch den milden Kindergeist, zu dem sein Herz sich neigte, wandte sich sein Dichtergenius höheren und edleren Regionen, als die der Satyre sind, zu. Es entstanden Schriften, welche die Lesewelt mit Entzücken aufnahm, wenn auch nur ein kleiner Theil derselben sie verstand; des Dichters Lage besserte sich, und er konnte wieder nach Hof übersiedeln. Dort schrieb er nun im vollen Dränge eines befreiten Geistes, beseelt wie beseligt von dem Strahle des göttlichen Urlichts, das in ihm flammte, seinen »Hesperus«, »Quintus Fixlein«, »die biographischen Belustigungen unter der Hirnschale einer Riesin«, die »Blumen-, Frucht- und Dornenstücke« und die »Jubelfeier«, welche alle von 1795 bis 1797 erschienen, und von der größten Fruchtbarkeit wie von der Unerschöpflichkeit der Gedankenfülle ihres Urhebers zeugten, freilich oft auch excentrisch sprudelnd und vielen unbegreiflich erschienen. Als des Dichters alte Mutter 1797 gestorben war, reiste Jean Paul zu Gleim nach Halberstadt, der ihn innig liebte, und dann nach Leipzig, wo er des Umgangs mit den geistreichen Prinzessinnen von Sachsen-Hildburghausen gewürdigt ward, deren Vater, der Herzog, ihm einige Jahre später den Legationsrathtitel verlieh. Das »Campanerthal«, dessen Dichtung in diese Zeit fällt, erhöhte nur den bereits gewonnenen Ruhm und der Dichter erlebte eine glückliche Zeit in den edelsten Kreisen zu Weimar, Leipzig und Berlin, deren Blüthengipfel die Verheirathung mit Karoline Mater bildete. Allein gewisse Hoffnungen auf Berlin gingen doch nicht in Erfüllung, und die höfische Sphäre Weimars, in der sich die dortigen Geistesgrößen bewegten, konnte, wie licht sie erschien, den schier allzugenialen Dichter nicht lange fesseln. Er wandte sich nach Meiningen, dessen Herzog, Georg, ein edelfreigesinnter Fürst, ihn hochschätzte, und wo er sich im Umgang mit dem Vice-Präsidenten etc. Heim, dem Geologen, wie mit dem Regierungsrath Freiherrn von Donop, dem Archäologen, innig befreundete. In Meiningen schenkte seine Karoline dem glücklichen Vaters das erste Kind. Hier war es auch, wo Jean Paul den Dichter Ernst Wagner liebend zu sich emporhob. Schon im folgenden Jahre nahm Jean Paul, der in Weimar und Meiningen am »Titan« fortgearbeitet hatte, die Einladung des Herzogs zu Sachsen Coburg in dessen Residenz an, doch weilte er auch dort nicht lange, sondern wählte, zumal ihm der Fürst Primas, Carl von Dalberg, eine Pension von 1000 Gulden rhein. ausgesetzt hatte, deren Auszahlung nach Dalberg’s Abdankung der edle König Maximilian Joseph I. von Baiern übernahm, seine alte ihm liebe Heimath, und in dieser Baireuth zum Wohnort, von wo aus er noch mit manchen goldenen Früchten seiner Muse: wie die »Flegeljahre«, »Dr. Katzenberger’s Badereise«, »der Komet«, »Levana«, »Vorschule der Aesthetik« und anderen, die Lesewelt beschenkte, und bis zu seinem Tode sich in der Gunst des gebildeteren und denkenderen Theils derselben behauptete. Er erlebte noch das Glück eine Gesammtausgabe seiner Schriften in 60 Bänden anzuordnen und zu ergänzen, erlebte aber auch das harte Loos, staarleidend zu werden, und kurz vor seinem Ende gänzlich zu erblinden. Viel wurde von Jean Paul geschrieben, nicht viel weniger über ihn; Lob und Tadel in überreichlicher Fülle. Jean Paul war ein Dichtergeist, der nicht nach der Elle der Alltagskritik gemessen werden konnte und kann. Ueber Lob und Tadel erhaben ging er ein in das Reich der Unsterblichen. Die Poesie weihte ihn mit ihrem flammendsten Kusse; hohe Vaterlandsliebe glühte in ihm und ein überschwänglicher Reichthum tiefen Gemüthes, das im strafen liebt, im zürnen mild ist und durch Thränen lächelt. So war und so bleibt er ewig unser.